Das Künstlerhaus beleuchtet 50 Jahre kritische Beziehung von Kunst und Institution
Spannende Beziehungskiste
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Institutionskritik wird erfahrbar: "Museum" von Katharina Fritsch (1995). Foto: Nic Tenwiggenhorn/VBK
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die "Beziehungsarbeit" zum Künstlerhaus zeigt sich auf verstellbarem
Rollrahmen als radikaler Einschnitt im eigenen Haus. Wie er geplant war,
konnte er allerdings nicht stattfinden, weil sich die
Künstlerhaus-Mitglieder 1966 nicht auf den Abriss des
Ringstraßenzeitbaus einigen konnte, dem ein Neubau von Karl Schwanzer
folgen sollte. Diese Pläne, gemeinsam mit der Firma IBM, waren bereits
vom Bundesdenkmalamt abgesegnet, die Entscheidung knapp. Man hielt
damals nichts von der Architektur des Historismus und wollte ein
modernes Ausstellungshaus.
Der Rollrahmen steht in einer losen Beziehung zu Wolf Vostells
Siebdruck mit Entwurf für ein Drive-in-Museum von 1970, in Form von zwei
TV-Geräten auf einem Autobahnkreuz. Dabei ist die Resistenz gegenüber
wirtschaftlicher Vereinnahmung wesentlich; daher sind Fluxus und
Neo-Dada die Ausgangspunkte einer Untersuchung der Schnittstelle
zwischen der Produktion des Künstlers und dem Ort, der Institution. Eine
anhaltend spannende Beziehungskiste, für die Kurator Martin Fritz nicht
nur Hochwertiges miteinander konfrontiert, sondern schließlich den
Übertitel Beziehungsarbeit wählte.
Divergierende Aspekte
Üblicherweise handelt es sich um Werke der Institutionskritik, die in
der Kunsttheorie allgegenwärtig ist. Theorie ist aber keinesfalls
zwangsläufig grau, wie sich in den einigermaßen schwierig zu
bespielenden Räumen des Erdgeschoßes im Künstlerhaus erschließt. Die
Aspekte sind so vielfältig, dass es vom Museum der Träume einzelner
Künstler wie Walter Pichler, Rémy Zaugg oder Ulrich Rückriem im privaten
Bereich bis zu ephemeren, minimalen Eingriffen eine Fülle an
Vorschlägen gibt.
Im Eingang empfängt Brigitte Pamperl mit aktuellen Interviews von 48
Mitgliedern des Künstlerhauses, die sich hier Gehör verschaffen, und
Christian Helbock stellt seine 2010/11 laufende Diskursschiene
"Produktion und Schwesternfelder" in Videos dar; weiters gibt es einen
Büchertisch von Michael Asher zur Thematik.
Wieder aus der Versenkung gehoben hat Fritz einen vergessenen
konzeptuellen Aktionisten, nämlich Christopher D’Arcangelo, der sich,
nach minimalen Interventionen in bekannten amerikanischen Museen und dem
Louvre (etwa unautorisiertes Bildabhängen), mit 24 Jahren 1979 das
Leben nahm. Seinem Konzept einer ephemeren Praxis entsprechend, darf die
Dokumentationsmappe nicht reproduziert werden. Fiktive Museen und
utopische Modelle gibt es von James Lee Byars, Katharina Fritsch und
Thomas Schütte. Das sarkophagartige, ironisch "Amusement" genannte
Modell Schüttes von 2002 steht in einer Fernbeziehung zu Robert
Smithsons "Underground Projection Room" von 1971.
Dan Graham bietet ein "New Design for Showing Videos", und Martin
Beck lässt die Recherche über das an Aussagen reiche "Display" von
Ausstellungen auch historisch Revue passieren. Kollektive Urheberschaft,
aber auch Immaterialität war schon 1958 für Yves Klein und Werner
Ruhbau 1958 mit Jean Tinguely und anderen im Musiktheater von
Gelsenkirchen wichtig.
Die Verquickung der soziologischen und politischen Bedingungen haben
1959 Hans Haacke schon als Student zu besonderen Fotonotizen über das
Publikum bei der "documenta 2" veranlasst. Dieser frühe interaktive
Ansatz wendet sich später auch in wichtige feministische Statements wie
jene der Guerrilla Girls oder rezente "Einlasspolitiken" bei der
Berlinbiennale 2010 von Marlene Haring. Und schließlich erinnert uns
Marko Lulic mit der Schrift-Intervention "Museum of Revolution" 2011 am
Zwanzgerhausneubau an ein von Tito projektiertes, nie gebautes Museum in
Belgrad 1961.
Ausstellung
Beziehungsarbeit
Kunst und Institution
Martin Fritz (Kurator)
Künstlerhaus UG
Zu sehen bis 16. Oktober
Printausgabe vom Freitag, 17. Juni 2011
Online seit: Donnerstag, 16. Juni 2011 18:08:00