Artikel aus
profil Nr. 12/2002 |
Wer ist
Thomann?
Die Künstlergruppe monochrom
spielt mit den Überresten der Postmoderne und vertritt Österreich
auf der Biennale São Paulo. |
Danke für die Zivilgesellschaft/Ihr Wohl
liegt jetzt in deiner Hand/Dank auch, dass ich im Widerstand eine
Stimme fand“; „Dank Herr für das Präfix ‚Retro‘/Dank auch für die
1-Klick-Bestellung bei Amazon.“ Diese Adaption des protestantischen
Kirchenlieds, nachzuhören auf der neuen „Sumpf“-CD1), ist der
aktuelle Hit der österreichischen Künstlergruppe monochrom und führt
in ein ironiegetragenes Universum, in dem alles zitiert und für die
eigenen Zwecke adaptiert werden kann. „Theorie- und Bastelkollektiv“
nennt sich die Gruppe gern selbst, kurz auch
„Medienmogulerie“.
monochroms sprechendstes Produkt ist der
Website-Dschungel http://www.monochrom.at/, wo Glossare,
Statistiken, Kurzfilme oder eine „Datenbank des Vorüberschreitens“
zu finden sind. „Kosmische Dimensionen“ bescheinigt der Gruppe ein
Interpret, und das ist wohl ihr auffälligstes Merkmal:
die„unendliche heterogene Vielfalt“.
monochrom ist auch ein
KünstlerInnenkollektiv, dessen Kerntruppe aus fünf Leuten um die
dreißig besteht: Johannes Grenzfurthner, Evelyn Fürlinger, Franz
Ablinger, Harald List und Frank Apunkt Schneider. Getroffen haben
sich die Mitglieder, die heute größtenteils in Wien leben, aber alle
„irgendwo auf dem Dorf“ aufgewachsen sind, übers Internet, noch
heute die Hauptkommunikationsbasis der fünf. Die Arbeit von
monochrom stellt ein potenziell endloses Forschungsprojekt über die
Wunder dieser Welt dar und trägt bisweilen melancholische Untertöne.
Ein barocker Weltschmerz am Ende der Postmoderne, der im
gegenwärtigen Kunstbetrieb etwas ganz und gar Anachronistisches hat.
Es werden Diskurse über Diskurse, sophistische Betrachtungen über
die Werbemaschinerie, Politik, Popsongs oder was auch immer geführt
– alles mit einem hohen Grad an Sprach- und Spiellust. Künstlerisch
sind monochrom vielleicht am ehesten mit der Wiener Gruppe Gelatin
vergleichbar, die sich ebenfalls ein eigenes Universum mittels
Referenzsystem und selbst kreierten Späßen aufgebaut
hat.
Kunstfigur
Und als rein
theoretisch agierende KünstlerInnen, die im engen Sinn noch kein
einziges traditionell verwertbares Kunstwerk produziert haben, sind
monochrom nun auf eine der ältesten Kunstbiennalen eingeladen
worden, die Biennale von São Paulo. monochrom sind aber offiziell
nicht als sie selbst vertreten, sondern als Georg Paul Thomann2),
eine Kunstfigur, die ein komplexes System von fiktiven biografischen
Angaben und endlosen Interpretationen darstellt. Ein Künstler um die
sechzig, der als Maler begonnen hat, politisch aktiv war, Medien-
und Musikprojekte initiiert hat und eben überall dort war, wo was
los war. „Die Essenz der österreichischen Kunstszene“, wie Johannes
Grenzfurthner, monochromist der ersten Stunde, erläutert.
Man kann sich darüber streiten, ob es sich hierbei um einen
postpubertären Gestus oder um eine revolutionäre Geste handelt.
Jedenfalls wird die Mystifikation um den Fake-Künstler von monochrom
selbst gebrochen durch die Offenlegung seiner „wahren“ Identität.
Auch wenn die zuständige Kuratorin Zdenka Badovinac, Leiterin der
Moderna Galerija in Ljubljana, gerne auf der Idee beharrt, Georg P.
Thomann auf die Biennale entsandt zu haben, und auch in etlichen
Zeitungsinterviews das Spiel weitergedreht wird. Ein Spiel
allerdings, das niemandem, der darin nicht von Anfang an involviert
war, die Möglichkeit zur Partizipation lässt. Nun ist es ein
Auftritt Thomann/monochrom geworden und kann zumindest als „offenes“
Kunstprojekt diskutiert werden.
„Mindestens drei von uns sind
manisch“, meint Grenzfurthner, und angesichts der
Arbeitsbesessenheit, die die Projekte der Gruppe kennzeichnet,
glaubt man gerne, dass nach São Paulo erst mal Urlaub angesagt
ist.
1) „Im Sumpf“-CD
# 2, Hrsg. von Fritz Ostermayer und Thomas
Edlinger.
2) Biografie
Georg Paul Thomann: „Wer erschoss Immanenz?“, Hrsg.
von Fritz Ostermayer, Thomas Edlinger und monochrom, edition selene,
Wien 2002.
Autor: Patricia
Grzonka
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