DeutschlandRadio Berlin - 17. Februar 2004 • 11:24
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12.2.2004
3. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst
Eröffnung durch Kulturstaatsministerin Christina Weiss
Von Carsten Probst
Ein Besucher passiert einen Ausstellungsraum der 3. Berlin Biennale  (Foto: AP)
Ein Besucher passiert einen Ausstellungsraum der 3. Berlin Biennale (Foto: AP)
"Urbane Konditionen", "Migration" und "Anderes Kino" lauten einige der Schwerpunkte der 3. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Sie präsentiert sich an Orten wie dem Martin-Gropius-Bau, den Kunst-Werken und dem Kino Arsenal. Die vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Schau wird am Freitag von Kulturstaatsministerin Christina Weiss eröffnet.

Kulissen für Holzbuden im Trapperstil, eine Bühne mit bunten Zeltplanen und einige Bretterkonstruktionen, die an Würstchenbuden erinnern, wo statt Würstchen allerdings kunsttheoretische Publikationen zu betrachten sind. Es war Bert Neumann, dem Chefbühnenbildner der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, vorbehalten, dieses Entree zur 3. Berlin Biennale zu gestalten, in dessen Mitte sich nun, wie auf dem Jahrmarkt, die versammelte Hauptstadtpresse drängelt.

Das Spartanische ist Programm, und Neumanns Budenzauber ist bereits soviel wie das gebaute Manifest dieser Ausstellung, die vorführen will, dass zeitgenössische Kunst mitten im schlichten, alltäglichen Leben stattfindet, im Rohbau der Kultur sozusagen, und nicht mehr in den Traumsphären musengeküsster Sonderlinge.

Die Berlin Biennale: Sie versteht sich weniger als ästhetischer Entwurf. Hier wird noch ehrlich am sozialen Gewissen gearbeitet, allen Künstlerinnen und Künstlern voran die künstlerische Leiterin Ute Meta Bauer. Sie lobt immer wieder das persönliche Engagement der jungen Künstler, die sie als ihre Schützlinge zu betrachten scheint. Entsagungsvoll, unter Verzicht auf jeglichen Geniekult und sonstige Eitelkeiten, habe sie ihre Werke in den Dienst der gemeinsamen Sache, in den Dienst der sozialen Botschaft gestellt, die da lautet: Wenn es schon keine Utopien mehr gibt: in der Kunst blüht die Hoffnung der globalisierten Welt.

So gruppieren sich die ausgestellten Installationen, Videos und Internetprojekte um Dokumentationen des täglichen Lebens. Die Hälfte der 50 Künstler lebt in Berlin, die andere hat sich was zu Berlin einfallen lassen. Die Berlin Biennale, um nicht mit irgendeiner anderen Veranstaltung zufällig verwechselt zu werden, muss natürlich Berlin thematisieren. Ute Meta Bauer:

Ich fühle mich auch mit dieser Biennale dem Standort verpflichtet, einer Geschichte, die sich an diesem Ort Berlin eingeschrieben hat. Auch das ist natürlich eine internationale Geschichte, hat aber eine ganz andere Verankerung. Und gerade in dem Jahr 2004 jetzt auch der EU-Erweiterung stellen sich hier ganz andere Fragen. Für mich war es extrem wichtig, die Berlin Biennale hier zu verorten. Es gibt sehr viele parallele Berlins zurzeit, die teilweise sehr getrennt voneinander ablaufen. Auch die Beiträge, die von außerhalb hier stattfinden, haben einen Bezug zu Berlin.

Die Berlin Biennale wirkt schon seit ihrer Gründung so, als hätten einige Kulturpolitiker im Nachwendekater plötzlich die städtische Subkultur für sich entdeckt, um irgendwie Werbung für weiche Standortfaktoren zu machen. Insofern wirkt es nun schon einigermaßen zweideutig, um nicht zu sagen naiv, wenn Ute-Meta Bauer, wie 2002 Okwui Enwezor auf der documenta 11, die demokratische Institutionenkritik zum Zweck der Kunst erheben will. Ausgerechnet hier. Ausgerechnet mit einer solchen Veranstaltung, gesponsert vom Hauptstadtkulturfonds.

Dazu passt, dass man einerseits vor allem junges Publikum anlocken will, andererseits einen Teil der Ausstellung aber im Martin-Gropius-Bau zeigt, in dem üblicherweise die hochrepräsentativen Großschauen der Berliner Festspiele abgefeiert werden. So hinterlässt nahezu alles, was auf dieser Biennale zu sehen ist, den traurigen Eindruck einer Als-Ob-Kultur, einer dauernden Behauptung von authentischer "Szene". Man tut eben so. Und das ist nicht einmal unbedingt die Schuld der Künstler oder der ausgestellten Werke.

Die Biennale sortiert sich in fünf so genannte Hubs - das englische Wort für Verteilerpunkte - in denen die zentralen Themen Aussagen gebündelt werden sollen.

Ute Meta Bauer: Die Hubs: "Urbane Konditionen", "Migration", "Sonische Landschaften", "Moden und Szenen" und "Anderes Kino" sind entnommen Diskursen und Diskussionen, die in dieser Stadt virulent sind, die hier aktuell sind, an denen intellektuelle Kulturproduzentinnen etc. seit Jahren letztendlich auch arbeiten.

In den Räumlichkeiten der Kunstwerke in der Auguststraße hat man vor allem die Abteilung über "Moden" und über "Sonische Landschaften" untergebracht. Hier geht es dokumentarisch um den Genderdiskurs im Alltagsleben, wie findet zum Beispiel Feminismus in der Mode statt, oder um wachsende Gleichberechtigung in der Rockmusikszene.

Auch alternative Modenschauen sollen Bestandteil dieser Biennale sein. Im Martin-Gropius-Bau findet sich einmal mehr eine Abteilung zur Migration und zum Leben in urbanen Räumen. Hier trifft man die bereits seit vielen Jahren einschlägigen Reportagevideos, Fotografien von kahlen Plattenbausiedlungen und soziologische Projekte zum Ausverkauf von ganzen Stadtzentren infolge der Globalisierung. Der Neuigkeitswert in dieser Abteilung ist insgesamt bescheiden, doch lassen sich hier andererseits immerhin auch einzelne Arbeiten entdecken, die auch ästhetisch überzeugen.

Der 1960 geborene Isaac Julien aus London entwirft in einem großen Videotriptychon als Rauminstallation eine geschickt angelegte Filmerzählung, in der es um eine rätselhafte Verfolgungsjagd zwischen einem alten Mann und einem weiblichen schönen Cyborg geht. Die Jagd führt durch verschiedene leere Museumskomplexe, so dass Realität und Ausstellung sich ständig verwischen.

Melik Ohanian dagegen ist ein Künstler aus Paris, der in seiner großen Videoinstallation die Kamera lautlos durch menschenleere Industrieviertel des alten Liverpool gleiten lässt, wodurch die architektonischen Hinterlassenschaften und Brachflächen einen gespenstisch-mythenhaften Eindruck von der Geschichte der Industrialisierung erzeugen.

Beispiele wie diese, die den Betrachter durchaus gefangen nehmen, eine dichte Atmosphäre erzeugen, den Blick beeinflussen können, zeigen, was diese Biennale auch hätte leisten können, ohne dabei Abstriche bei ihrer thematischen Ausrichtung zu machen. So aber bleibt die müde Erkenntnis, dass irgendwann auch Berlin als Aussage, als tausendfach beschworener "Zustand an sich" seinen legitimierenden Reiz verliert. Spätestens dann, wenn es nichts Neues mehr zu sagen gibt.

Service:

Die 3. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst findet vom 14. Februar bis 18. April 2004 an verschiedenen Berliner Veranstaltungsorten statt.

Link:

3. Berlin Biennale


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