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Galerien In Wien: Zum Tee mit Octopussi

12.12.2007 | 18:15 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Japanische Subkultur bei Krinzinger, Wiener Animationsfilm bei Amer Abbas.

Wenn es um die japanische Begeisterung für Niedlichkeit geht, kann sich der Westler nur wundern. „Otaku“ heißt der Fachbegriff für die Subkultur von Erwachsenen, die obsessiv Mangas, Anime und Plastikfiguren von Elfen oder Schulmädchen sammeln. In der letzten Wiener Ausstellung von Shintaro Miyake regierte „Sweet Girl“, eine Art Pippi Langstrumpf mit Melonenkopf und schlauchartigen Gliedmaßen.

Wie eine Variation von „Sweet Girl“ nehmen sich auch die Protagonisten seiner neuesten Zeichnungen aus. Allerdings hat Miyake für seine nach der Hafenstadt „Hatchobori“ benannte Schau auf die japanische (Kunst-)Geschichte zurückgegriffen: Fischer, Wasserträger und Straßenhändler bevölkern die Markt- und Seeansichten in der Galerie Krinzinger.

Dem 1970 geborenen Künstler reicht es nicht, süße Figuren nur zu zeichnen, er schlüpft auch regelmäßig selbst in Plüschtierkostüme. Bei der Vernissage tauchte er als knallroter Oktopus auf. Die Krake sitzt nun friedlich auf einer Strohmatte und genießt ihren Tee (33.000€) – eine Installation fürs Kinderzimmer. In seinen Zeichnungen beschreitet Miyake indes neue, komplexere Wege. Was auf den ersten Blick wie Hinterglasmalerei aussieht, entpuppt sich als ausgeschnittene Kartonzeichnung. Die teuren breiten Holzrahmen konterkarieren allerdings die Fragilität dieser Papierschnitte. Miyakes längliche Ansichten der alten Kaiserstadt Edo oder traditioneller Fischerei (9000–55.000€) referieren auf die klassischen Farbholzschnitte, von denen die Mangas bekanntlich abstammen.


Gefangen in Loops

Obwohl auf heimischen Kunsthochschulen Animationsfilm unterrichtet wird, spielt dieses Medium in Österreichs Kunst so gut wie gar keine Rolle. Eine Ausnahme stellen die Arbeiten von Susi Jirkuff dar, die gerade bei Amer Abbas zu sehen sind. Mit dem Computer versetzt die Künstlerin ihr bewusst reduziertes Formenrepertoire in Bewegung.

Für eine Videoinstallation ihrer Ausstellung „Caught in Loops“ greift Jirkuff die altbekannten Gesten auf, ohne die kein Fernsehkrimi auskommt: Pistole ziehen, Türschloss knacken und so weiter. Mit einfachen schwarzen Strichen auf Weiß geht es hier weniger um Erzählung, als um eine Reflexion des allzu Vertrauten. Liegt in der ewigen Wiederkehr der Kommissare nicht etwas Tröstliches?

Jirkuffs Animationsfilm „Wüste“ zeigt nichts anderes als das blaue Wasser vor dem gerasterten Fliesenboden eines Swimmingpools. Mit drei, vier Zeichnungen wird hier ein sonderbar meditatives Bild geschaffen, zu dem eine Frauenstimme vom Tiefseetauchen erzählt. Die poetische Arbeit lädt zum Versinken ein. Weniger überzeugend fallen hingegen die Papierarbeiten aus, Ansichten von Pflanzen und wuchtigen Wohnsiedlungen, die leider nichts vom lakonischen Charme ihrer zum Laufen gebrachten Zeichnungen haben.

Miyake bis 18.1., Seilerstätte 16; Jirkuff bis 31.12., Schadekg. 6–8.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2007)


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