Zeichenhund und Linienspiel

09. Juni 2010, 19:54
  • Artikelbild: Alfredo Barsuglias "About Separations And Memories": Fotos der Liebsten kommen immer als Erstes aus der Umzugskiste. - Foto: Viktor Bucher

    Alfredo Barsuglias "About Separations And Memories": Fotos der Liebsten kommen immer als Erstes aus der Umzugskiste.

Die Freiheiten des heute nicht mehr eindeutig definierbaren Mediums Zeichnung illustriert Viktor Bucher mit ausgewählten Beispielen in "Walk the Line?"

Wien - Jetzt ist es heraußen. Und anders wäre der enorme Produktionsausstoß des Tausendsassas ja auch gar nicht erklärbar gewesen: Christian Eisenberger hält sich einen Zeichenhund! Im Projektraum von Viktor Bucher kann man beobachten, wie der arme Duracell-beseelte Plüsch-Wauwau - alle vier Pfoten sind an Grafitstifte gefesselt - bellend Zeichnung um Zeichnung beackert. Eine moderne, unernste Interpretation der "écriture automatique", wenn man so will.

Bucher, der sich mit der Ausstellung "Walk the Line?" mit Beispielen von zehn Künstlern der zeitgenössischen Zeichnung widmet, transferiert auch einen authentischen Ausschnitt aus Eisenbergers Atelier: Verschiedenste Blätter mit spontan wirkenden Zeichnungen hat Bucher samt dem ursprünglichen Klebeband auf ein Stück Wand gepickt und damit auch ein Teil des Wesens der Zeichnung thematisiert: das Skizzenhafte, das den Prozess einer Idee bis zum Werk - oder auch einen Moment der Konzentration und Kontemplation - begleitet, wie ein weiteres Beispiel von Eisenberger aus dem Projekt "40 Tage leben/arbeiten/fasten" (2007) zeigt.

So kann man den Ausstellungstitel, der einen Song von Johnny Cash zitiert, über die Linie sehr unmittelbar mit der Zeichnung verknüpfen. "To walk the line" meint aber übersetzt auch so viel wie "auf dem rechten Weg bleiben" oder "sich beherrschen". Im Vergleich zur Malerei sei, so Bucher, die Zeichnung das Medium, das weniger verzeiht, in dem also beherrschter gearbeitet werden muss. Trotzdem fristen die sogenannten "Arbeiten auf Papier" gegenüber den Leinwandbildern immer noch ein Schattendasein.

Eine "Linie" von Zeichnungen steuerte Franz Graf bei. Alfredo Barsuglia zeigt ein Beispiel seiner in Wandzeichnungen eingebetteten Bilder. Julie Hayward zeigt amorphe Objekte, die ihre Skulpturen mitdenken, so wie Siggi Hofer Denkarchitekturen auf Papier bannt. Präzise schraffiert sind die sensiblen Porträts Sevda Chkoutovas. Famos sind allerdings Constantin Lusers Collagen: Dieser erwarb einst Meyers "braunes" (Nazizeit) Konversationslexikon und schuf aus den enthaltenen Zeichnungen archimboldeske Gebilde. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2010)

 

Bis 2. 7., Projektraum Viktor Bucher, Praterstraße 13/1/2, 1020 Wien

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