Das Weltraumtheater des Dragan Zivadinov

Dragan Zivadinov und sein Ensemble spielen 7.000 Meter über der Erde Theater.
Von Roland Schöny


Wie besessen sucht der slowenische Avantgardist Dragan Zivadinov nach Möglichkeiten für ein vollkommen abstraktes Theater. Und abstraktes Theater ist nur möglich unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit, proklamiert Zivadinov. Die Verhältnisse der Schwerkraft hätten nämlich automatisch Mimesis, also Nachahmung zur Folge.

7.000 Meter über Moskau

Dragan Zivadinov ist es tatsächlich gelungen, sein erstes "Drama der Schwerelosigkeit" aufzuführen. Im April 1995 absolvierte er in einem für russische Cosmonauten erbauten Trainings-Luftfahrzeug gemeinsam mit 16 Schauspielern einen so genannten Parabelflug rund 7.000 Meter über Moskau.

Unter solchen speziellen Flugbedingungen erreichen die Passagiere automatisch den Zustand der Schwerelosigkeit. Für Dragan Zivadinov, der im Rahmen der Bewegung Neue slowenische Kunst in den 80er Jahren das Theater Roter Pilot leitete, die idealen Bedingungen, um Theater und Performance neu zu kreiren.

"absolute now"

Sein Theater sei absolut jetzt, absolute Gegenwart, erklärt Dragan Zivadinov wieder unten auf der Erde im sommerlichen Ljubljana. Für seine Stücke gebe es kein Publikum, lediglich die Aufnahmen auf Video und Film.

Also durch und durch neue Merkmale des Theaters möchte Zivadinov schaffen. Denn normalerweise würden Schauspieler, wenn sie auf der Bühne stehen, figurativ agieren und durch die Erinnerung an den Text ihrer Rolle auf die Vergangenheit ausgerichtet sein.

Zurück in die Zukunft

Theater im Rahmen der Bedingungen neuester Technologien, das außerdem im Weltall spielen würde, so Zivadinov, das sei auf die Zukunft ausgerichtete Kunst. Die Visionen des Dragan Zivadinov haben Ähnlichkeiten mit dem Drehbuch eines Science-Fiction-Films. Doch obwohl Zivadinov permanenet an die Zukunft, an das Morgen denkt, so sind seine Utopien dennoch in der Geschichte verwurzelt.

Dragan Zivadinov bezieht sich nämlich auf Erkenntnisse der so genannten Biomechanik, einem Forschungszweig, der sich bis zu Leonardo da Vinci zurückverfolgen ließe. Hauptthema ist der Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Körper einerseits und den physikalischen Gesetzen andererseits.

Reisen im Raum

Einer der wichtigsten Forscher auf diesem Gebiet ist der 1929 verstorbene Hermann Potocnik Noordung. Sein Buch "Das Problem des Reisens im Raum" beeinflusste unter anderem auch Wernher von Braun und dessen Erkenntnisse für die NASA.

Was Dragan Zivadinov für seine Theaterarbeit im Weltraum daraus ableitet ist - kurz gesagt - die Möglichkeit, den Körper nicht mehr als handelnde, rekapitulierende Figur zu verstehen, sondern als Vektor, der durch Raum und Zeit definiert ist.

Astronomische Summen

Es stellt sich allerdings die Frage, wie es gelingen konnte, diese Art von Avantgarde zu finanzieren. Ganz einfach: Dragan Zivadinov hat im Rahmen eines Preisausschreibens eine Reise zum russischen Weltraumzentrum nahe Moskau gewonnen, wo nicht nur festgestellt wurde, er wäre weltraumtauglich. Dort lernte Zivadinov auch alle berühmten Kosmonauten kennen und entwickelte sein Drama "The Noordung Project".

Mit Hilfe von Sponsoring und nach dem Verkauf eines ererbten Stück Waldes gelang es ihm, seine Ideen zu realisieren. Alle zehn Jahre soll sein "Zero Gravity Noordung"-Projekt nun im Weltall wiederholt werden, immer mit den gleichen Schauspielern. Und sobald einer davon stirbt, soll er durch ein Zeichen, das vom Mond aus kontrolliert wird, ersetzt werden. Bis zum Jahr 2045 möchte Dragan Zivadinov sein Stück in der Schwerelosigkeit wiederholen.

Link: Auf der Zero Gravity Noordung Homepage können Daheimgebliebene via Quicktime-Videos wenigstens virtuell dabei sein.

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