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20.12.2005 - Kultur&Medien / Kultur News
Freud-Jahr: Der Witz, die Couch, der Traum
Österreichs Kulturforen in aller Welt planen ein reiches Programm zum Freud-Jahr 2006.

Wie kann man ein Freud-Jahr besser avisieren als mit einer kleinen Fehlleistung, noch dazu mit einer, für die der Titel "Psychopathologie des Alltags" einen hübschen Nebensinn hat? Den "so genannten Organakkumulator" habe ein "Schüler Sigmund Freunds" (sic!) entwickelt, heißt es im Presseheft des Außenministeriums, und zumindest den ersten Verschreiber trug Gesandte Claudia Rochel-Laurich auch getreu vor.

Gemeint ist natürlich das "Orgon", jene seltsame Lebenskraft, die Wilhelm Reich akkumulieren wollte. Freud hätte mit dieser pseudo-physiologischen Konstruktion wohl wenig Freude gehabt. Dennoch zeigt das Kulturforum Kiew im Herbst 2006 unter dem Motto "The Body Electric" just eine solche "Energiebündelungsmaschine". Das ist schon gut so, schließlich hat Freud selbst die Geschichte seiner Psychoanalyse ganz erzväterlich auch als Geschichte der "Abfallbewegungen" gesehen.

Und es ist nur ein Beispiel aus dem reichen, im guten Sinn eklektischen Programm, das die österreichischen Kulturforen 2006 - unter der Patronanz von Bundespräsident Fischer - bieten. Koordiniert hat Emil Brix, Leiter der Kultursektion des Außenministerium, er erklärte bei der Vorstellung der Aktivitäten am Montag auch einleuchtend die Haltung hinter den Projekten: "Freud wurde nicht in Österreich geboren, er wurde aus Österreich vertrieben, er ist nicht in Österreich gestorben. Wir haben kein Recht, ihn als österreichischen Helden zu zeichnen."

In Gorizia (Görz) wird Freud als "Europäer am Schnittpunkt dreier Kulturen" dargestellt, in Rom befasst sich ein Symposion mit dem Leonardo-Bild Freuds, in New York zeigt Michael Freund "Witze über die Psychoanalyse" (Cartoons aus dem "New Yorker" seit 1928), in Den Haag feiert man eine "Nacht des Traums", in Hanoi wird die vietnamesische Übersetzung der "Traumdeutung" vorgestellt, in Bukarest spielt das Wiener Pygmaliontheater "Die fabelhafte Welt des Dr. Freud", in Istanbul wird eine Installation "Freud auf der Ottomane" stehen. Nur zum Beispiel. In Príbor (Freiberg), Freuds Geburtsort, soll im Geburtshaus ein Veranstaltungszentrum entstehen.

Statt einer archäologischen Metapher, wie sie Freud so liebte, dient ein Bild aus der Kriminalistik als Gesamtmotto: "Die Enthüllung des 21. Jahrhunderts", entsprechend ist das Corporate Design: mit tatsächlich durchsichtigen Transparenten und "City Lights" - "der Betrachter soll mit dem Bild Freuds verschmelzen", erklärte Helmut Strutzmann ("Multi Art").

Ein kollektives Unbewusstes - um es im Slang eines weiteren untreuen Freud-Schülers, C. G. Jung, zu sagen - könnte sich auf der Homepage www.freud-institut.com (ab Jänner online) manifestieren: Dort kann man an einem Traumroman mitschreiben, latente und manifeste Inhalte sind erlaubt. Philosoph Peter Kampits dagegen wird ein Manifest zur Bedeutung Freuds (v. a. aus semiotischer Sicht) verfassen, das als Poster gedruckt und in allen Kulturforen affichiert werden soll. Ebenfalls zentral erstellt wird eine Fotoausstellung auf CD-Rom.

Auch Ö1 beginnt einen Freud-Schwerpunkt, am 1. Jänner (22.05 Uhr) mit einer Überleitung vom Einstein-Jahr: dem Freud-Einstein-Briefwechsel "Warum Krieg?". Es folgen etliche "Dimensionen", "Radiokollegs" etc. zum Thema. Fürs ORF-Fernsehen dreht Otto Brusatti eine große Doku. tk

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