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Ausstellungen 
   
   
  74  Summary  Andreas Spiegl  
    Galerie Hoffmann & Senn, von 23.06.1998 bis 30.09.1998
   
   
»Summary« ist mit seinen sieben zur Diskussion gestellten KünstlerInnen um die 30 Teil jener Ausstellungspolitik von Galerien, die die Sommermonate dafür nützen, einen kleinen und nicht sonderlich ambitionierten Einblick in die Produktion jüngerer KünstlerInnen zu gewähren. Es läge nahe, für diese saisonale Politik des unprätentiösen, spielerischen und entspannten Präsentierens des Auch-Produzierten, des lockeren Durchlüftens der ansonsten strengen Programmatik, den Begriff der »Summeries« einzuführen. Weiteres Kennzeichen der »Summeries« wäre, daß sie Galerien wie auch andere Institutionen in temporäre »Alternative-spaces« verwandeln; nicht selten bieten diese den KünstlerInnen die einmalige Gelegenheit ausstellen zu dürfen. Mit der Rückkehr der ernsteren Jahreszeiten sind diese dann meist für immer aus dem Programm verschwunden. Ein Grund dafür mag in den Wettbewerbsmechanismen liegen, die Galerien ein Experimentieren während der Hauptsaison nicht gestatten; ein anderer in der selbstauferlegten Verpflichtung, sich auch um die Jungen kümmern zu müssen – einer Art programmatischer und das übrige Jahr hindurch verdrängter Schuldigkeit. Der Ausstellungstitel »Summary« deutet auf einen Überblick, der angesichts der Unüberblickbarkeit der Kunstproduktion nur als ironische Behauptung und damit als These ohne Überprüfbarkeit, also als Zugeständnis an eine Konvention gemeint sein kann. Die Herkunft der KünstlerInnen – Sam Durant aus Los Angeles, Josephine Pryde aus Northumberland, UK, Johannes Wohnseifer aus Köln, Katharina Wulff aus Berlin, Marco Lulic, Bernhard Fruehwirth und Paul Ritter aus Wien – skizziert ein international besetztes Spektrum – mit anderen Worten: die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einer Generation. Die Ausstellungslisten der TeilnehmerInnen legen angesichts einiger gemeinsamer Beteiligungen zumindest eine Form von Verbundenheit oder freundschaftlich-praktischer Beziehungen nahe.

So haben Marco Lulic und Bernhard Fruehwirth, die schon öfter ihre Arbeiten gemeinsam mit Paul Ritter gezeigt haben, Fotografien beigesteuert: Lulic eine Straßenszene in Los Angeles – lapidar und dennoch authentisch-autobiografisch, verweilt er doch gerade als Stipendiat in dieser Metropole. Was ihn interessiert, ist das Bedeutsame am Marginalen, die konzeptuelle Randnotiz inmitten des banalen Alltags; das Werk: ein Hinweis für den Wissenden, der die infiniten Zeichenloops noch einmal zu deuten weiß. Fruehwirth präsentiert unter dem Titel »Thermoskulpturen« Fotografien von abgewrackten Innenräumen, Sozialdramen oder von der alltäglichen Mühsal, kurz: Fotografien, die unter den Fingern brennen (sollen). Seine Arbeit als Zivildiener konfrontiert den Künstler täglich mit diesen Szenarien, die authentisch-autobiografischen Charakter beanspruchen können. Allein die Formate und Arrangements zeugen von einem Versuch, sich die Realität wenigstens bildhaft vom Leibe zu halten – das reale Drama als Drama des Realen. Darin vermittelt sich eine unerwartete Qualität der in den letzten Jahren international inflationär auftauchenden Dokumentarfotografie sozialer Probleme: die Transformation des Disasters in ein Bild, um Distanz zu schaffen. Das zugrundeliegende Engagement vermittelt sich letztlich als Engagement für die eigene Gesundheit. Die Therapie: ein ästhetisch konsumierbarer Gewöhnungsprozeß an die sozialen Ränder.

Paul Ritter installierte eine abstrahierende, spiegelnde Form, die sich, um die eigene Achse gedreht, auf der Rückseite der Wand widerspiegelt: eine Installations-Pirouette – beiläufig, vermeintlich selbstbespiegelnd, noch ein Loop des Marginalen. Die Malerin Katharina Wulff zeigt unter anderem eine Serie von Frauenporträts, in denen sich das Narrative mit dem Malerischen, die Frage des Individuellen vor dem Hintergrund einer allumfassenden Geschichte des bereits Gemalten die Waage zu halten suchen. Ein Bild von ihr, gemalt von mir, findet sich letztlich jenseits des Dialogischen im Land der globalen Malerei, das alle Versuche einer Grenzziehung des Persönlichen vorab annulliert. Treffend bemerkt Josephine Pryde in einem Text über Wulff: »Der stark konzeptuell ausgerichtete Ansatz, dem sich Malerei heute teilweise verpflichtet, wird in Wulffs Malerei nicht weiter bemüht.«
Pryde selbst widmet sich in ihren sehr wohl konzeptuell ausgerichteten Arbeiten dem Scheitern oder Versagen der Bilder, noch etwas zeigen zu können. Ihre Makroaufnahmen des zukünftigen Expo 2000-Geländes eröffnen keine näheren Einblicke in das Geschehen, sondern verschließen sich zu ästhetisch angereicherten und dennoch opaken Oberflächen: Ästhetik als Abschottungsprogramm. Daß sie daneben ihre zitathaften Malversuche auf Paravents plaziert, mithin eine Sichtschutzmalerei produziert, scheint nur zu konsequent das Bildhafte mit dem Undurchsichtigen zu assoziieren.

Sam Durant, der erfrischend frech und ironisch mit seinem Erbe aus Minimalismus, Smithson, Zobernig und angewandter Moderne à la Eames verhandelt, und Johannes Wohnseifer, der das Original von Fassbinders »Stadtstreicher« mit seinem Remake überlagert, formulieren am überzeugendsten die Erfahrungen einer Generation, der die eigene Gegenwart immer schon und auch als Echo einer antizipierten Vergangenheit der Moderne erscheint. Letztlich sind es diese beiden, die dem lesenswerten Plakattext von Christian Höller und seiner Thematisierung einer akuten Retrokultur eine Rolle im Ausstellungsszenario zuweisen. Durant, Wohnseifer und Höller hätten gereicht, um aus »Summary« eine Ausstellung, und kein »Summery« zu machen.
 
     

© 1997-99 springerin