Das Kunstforum der Bank Austria zeigt "Augenschmaus. Vom Essen im Stillleben"
Vom Essen und Vernaschen
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Im Kunstforum der Bank Austria dreht sich in der neuen Ausstellung
alles ums Essen. Paul Cézannes "Steingutkrug" (1893/94) steht am Beginn
des Stilllebens, wie es die Maler der Moderne inszenieren. Foto: Peter
Schibli
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
"Mein Leben ist des Mundes Kot" erinnert uns Dieter Roth 1966 in seinem
"Scheißgedicht" an all das Vergängliche und Peinliche im Zuge der
Einverleibung von Essbarem. Sein "Verwesungsobjekt" von 1969 zeigt aber
Bezüge zum barocken Vanitasbild, das spirituelle Nahrung anbietet.
Von Aristoteles bis Adorno gibt es viele Beispiele der Skepsis
gegenüber dem Einsatz der Sinne im täglichen Leben, doch der
Kunstgeschmack eröffnet im Gegenzug eine anhaltende Vorliebe für das
"Stille leven" oder die "Nature morte". Mit rund neunzig Werken aus
aller Welt, allen neuzeitlichen Epochen und mit kunstvollen Rezepten
wartet die anspruchsvolle Schau "Augenschmaus. Vom Essen im Stillleben"
auf, mit der sich das Kunstforum kraftvoll zurückmeldet.
Von den sechs Themenkreisen sind zwei, nämlich das malerische
Experimentierfeld mit der Entdeckung des Stilllebens als revolutionäres
Motiv im späten 19. Jahrhundert und der Wandel vom niedrigen zum noblen
Thema durch Jean-Siméon Chardin vor 1750, wesentlich.
Die Auslöser der Moderne Paul Cézanne, die Kubisten Pablo Picasso,
Juan Gris, Georges Braque oder Ferdinand Léger dienen ebenso dem Genuss
wie der Farbasket Giorgio Morandi – was insgesamt das übliche opulente
Menü des Kunstforums ergibt.
Künstlerinnen im Fokus
Unter den Vorläufern der klassischen Moderne bleiben die
Künstlerinnen nicht im Windschatten. Über Jahrhunderte von der Akademie
ausgeschlossen, ins Küchenfach verdrängt, lieferten sie besondere
Bildbeispiele. So können Fede Galizia, Clara Peeters, Louise Moillon
und Anne Vallayer-Coster neben Willem Kalf oder Sebastian Stoskopff zu
Exponentinnen einer Metamalerei aufsteigen. Diese kümmerte sich um die
theoretische Frage des Einfalls, der über der Imitation der Natur
steht. Der Feminismus der 70er setzt hier voll Ironie mit Maria Lassnig
bis Mona Hatoum fort.
Die soziale Note kann bei aller Sinnenfreude kritisch den Luxus, die
Exotik ferner Kolonien und die Klassenunterschiede in Bildern ablesbar
machen, besonders im Wandel von der religiösen Symbolik in Renaissance
und Barock zu autonomen Stillleben einer Berthe Morisot, Paula
Modersohn-Becker, aber auch eines Vincent van Gogh.
Nicht nur appetitlich kommt die Eat-Art Roths und Daniel Spoerris
und der Rekurs auf unseren täglichen Umgang mit Fleisch von Lovis
Corinth bis zu Christian Ludwig Attersees
"Schinkenfinger"-Kannibalismus daher. Doch das Vernaschen ist auch bei
den Würsten von Damien Hurst oder dem sich im Zeitraffer-Video von Sam
Taylor Wood zersetzenden Hasen nur ein Hinweis auf die verknüpften
Sinne.
Ausstellung
Augenschmaus
Vom Essen im Stillleben
Heike Eipeldauer (Kuratorin)
Zu sehen bis 30. Mai
Printausgabe vom Freitag, 12. Februar 2010
Online seit: Donnerstag, 11. Februar 2010 18:06:00
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