Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Sigmar Polke ist tot – er starb mit 69 Jahren nach langem Krebsleiden

Alchimist der Kunst ist tot

Sigmar 
Polke im Museum für Gegenwartskunst in Siegen vor einem seiner 
unbetitelten Werke. Foto: dpa/Fredrik v. Erichsen

Sigmar Polke im Museum für Gegenwartskunst in Siegen vor einem seiner unbetitelten Werke. Foto: dpa/Fredrik v. Erichsen

Aufzählung Sigmar Polke, der unermüdliche Experimentator, verstarb am Freitag.

Köln.Er galt als der "Alchimist der Kunst" und als unermüdlicher Experimentator: Der in der Nacht auf Freitag nach längerem Krebsleiden im Alter von 69 Jahren verstorbene deutsche Maler Sigmar Polke belegte auf allen wichtigen Listen international bedeutender Künstler seit Jahren einen der vorderen Plätze. Seine Bilder erzielen auf dem Kunstmarkt Millionenpreise. Im Laufe seines Lebens ist er mit Preisen überhäuft worden.

Doch trotz seines Ruhms blieb der als extrem medienscheu geltende Polke am liebsten für sich. Über das Privatleben des Malers war wenig bekannt. In Köln-Zollstock teilte er sich mit einem Tischler ein ehemaliges Fabrikgebäude, das ihm als Atelier diente. Freunde und Sammler schilderten ihn als humorvollen und neugierigen Mann.

Polke lässt sich keiner Stilrichtung eindeutig zuordnen, was mit seiner Experimentierfreude zusammenhängt. Bereits als Student in den 60er Jahren begründete er mit Gerhard Richter eine Stilrichtung, die sie "Kapitalistischer Realismus" nannten. Darin karikierten die Künstler die Sehnsüchte der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Den Einstieg in die Kunstszene verschafften Polke vor allem seine Raster- und Dekostoffbilder. Er setzte Bilder aus überdimensionalen Rasterpunkten zusammen, statt Leinwand verwendete er synthetische Flauschdecken, gestreiften Schlafanzugstoff oder Plastikfolien als Bildträger. Seine Motive waren Themen aus der Werbung, Filmwelt oder Comics.

Ein Meister des Stilpluralismus

In den 70er Jahren durchkämmte Polke Länder wie Mexiko, Australien oder Pakistan nach neuen Motiven und Mythen, wobei die Kamera sein ständiger Begleiter war. Er experimentierte mit sich verändernden Thermo- und Hydrofarben. So bot er 1986 im deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig ein alchimistisches Schauspiel: Seine wärmeempfindlichen Bilder, die je nach Tagestemperatur in anderen Farben leuchteten, wurden mit dem "Goldenen Löwen" für die beste künstlerische Leistung ausgezeichnet. In seinem Kölner Atelier experimentierte Polke, der auch als "Meister des Stilpluralismus" bezeichnet wurde, wie in einem Chemielabor. Er hantierte mit Silbernitrat, verschiedenen Lacken, mit Kunstharz, Schellack, unterschiedlichen Pigmentträgern, Eisenglimmer, Kopiergeräten und Computertechniken. Auch die Fotografie spielte für den Maler eine zentrale Rolle.

Polke wurde am 13. Februar 1941 in Oels in Niederschlesien geboren. Seine Familie floh 1945 nach Thüringen und übersiedelte 1953 nach West-Berlin, ehe sie nach Düsseldorf zog. Dort begann Polke zunächst eine Glasmalerlehre und studierte dann an der Kunstakademie. Zu seinen Lehrern zählte auch Joseph Beuys.

Printausgabe vom Samstag, 12. Juni 2010
Online seit: Freitag, 11. Juni 2010 19:52:06

Artikel kommentieren:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at