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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
16. April 2009
18:49 MESZ

 Bis 14. Juni

 

Agnieszka Kalinowska: "Doormen" , Videoinstallation, 2006/2007.

 


Die alltägliche Beklemmung
Im Museum Moderner Kunst in Wien variiert Agnieszka Kalinowska in drei Videos das Thema Isolation

Wien - "Wäre unser Leben ein Actionfilm, würde ich nur jene Momente fokussieren, in denen wir unsere Stärke zeigen (...) und schier übermenschliche Fähigkeiten dafür einsetzen, Probleme zu lösen." Agnieszka Kalinowska, 1971 in Warschau geborene Künstlerin, thematisiert in ihren neuen Videoinstallationen in der Factory des Mumok individuelle Verhaltensweisen von Menschen in Extremsituationen.

Eine für das Genre Actionfilm prototypische Szene wirft sie mittels Beamer an die obere Kante des Ausstellungsraumes: Eine Frau kriecht durch die weißblechernen Röhren eines Lüftungssystems. Natürlich ist es eng genug, dass an ein Umdrehen nicht einmal zu denken ist. Und natürlich auch bevölkern widerliche Ratten den horizontal verlaufenden Schacht. Klar ist: Die Röhren sind unendlich lang. Unklar ist, wohin der beschwerliche Weg sie führt. Agnieszka Kalinowska lässt offen, ob die Frau auf der Flucht, ihr Ziel also die Freiheit ist. Oder ob nicht doch ein Eindringen intendiert ist, ein getarnter Versuch einem innersten Kern nahezukommen, dem Unternehmen vorsteht. Die Heldin in der Röhre wirkt emotionslos. Die Angst projiziert der Betrachter, geschult von unzähligen Verfolgungsjagten in den Studios von Hollywood, ins Endlosvideo.

Konkreter wird Kalinowska in ihrer Videoarbeit Draughty House: Die Darsteller sind allesamt Asylwerber in Österreich. Sie erzählen in langen Passagen von ihren Schicksalen und den Erwartungen an das fremde, an das neue Land. Und knüpfen dementsprechende Traumbilder. Zu sehen sind die Aufnahmewerber nicht. Ein Zaun, geflochten aus schwerem organischem Material, schirmt sie ab. Bloß Hände und Stimmen ragen ins Hoffnungsgebiet. Das Requisit Zaun setzt Agnieszka Kalinowska auch als autonome Skulptur ein; bietet an, von beiden Seiten aus durch das dichte Maschengeflecht zu starren, um derart zu hinterfragen, auf welcher Seite sich das gelobte Land wohl finden möge.

Doormen, ebenfalls ein Video, schildert, wie Erzählungen im Nichts landen, keinen Empfänger finden. Sechs Türsteher verschiedenster New Yorker Hotels verkünden Privates, interpretieren die politische Lage, erzählen von ihrem Verhältnis zum Beruf, und den Menschen, denen jeder von ihnen im Alltag begegnet. Verbindend zwischen den - einzeln interviewten und später zu einer Gruppe montierten - Berufskollegen ist bloß die Uniform. Darüber hinaus bleibt die Gruppe völlig beziehungslos. Keine der Erzählungen scheint den nächsten Doorman zu rühren. Die Außenseiter der Hotelgesellschaft bleiben auch untereinander isoliert. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.4.2009)

 

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