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19.11.2001 - Ausstellung
Kulturturm in Manhattan auf voller Höhe
Am 18. April 2002 wird ein spektakuläres Österreich-Haus in New York eröffnet - zehn Jahre nach der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs. Raimund Abraham füllte mit gestalterischem Mut und für viel Geld eine Lücke im Herzen Manhattans.
VON HANS HAIDER


Auf jedem Autobus, auf vielen Privatwagen und Gebäuden prangen Stars and Stripes. In New York mutierte Trauer zum trotzigen Jetzt-erst-recht! Eine US-Flagge baumelt auch vom Vordach des in jeder Ansicht schrägen österreichischen Kultur-Turms an der 52. Straße Ost. Baustahlgitter versperren den Weg zum Eingang. Die Selbstverwirklichung aus Stahlbeton mit vorgehängter Glasfassade des aus Osttirol stammenden, schon jahrzehntelang in New York lebenden Architekten Raimund Abraham wartet nur mehr auf die Inneneinrichtung - produziert von der Firma List in Niederösterreich.

Für den 18. April ist die feierliche Eröffnung angesetzt. Direktor Christoph Thun-Hohenstein hat dafür ein bis 22. Juni dauerndes Festival mit dem Titel "transforming modernity" vorbereitet.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel besichtigte den Bau, als er vor einer Woche zur UN-Vollversammlung kam. Schüssel war Außenminister, als das Parlament mit den Stimmen aller damals fünf Parteien dieses symbolträchtige Engagement auf Manhattans Felsboden bewilligte. Dieser politische Konsens bewährte sich als Risikoversicherung. Denn Abriß und Neubau des Österreichischen Kulturinstituts - heuer wie alle Dienststellen seinesgleichen in "Kulturforum" umbenannt - wurde von bösen Überraschungen überschattet.

Asbestverseuchter Abbruchschutt war teuer zu entsorgen, die beiden ersten Baufirmen gaben nacheinander auf. Heute hängt das Schild des internationalen schwedischen Baukonzerns Skanska AB an der Baustelle. Die Kosten stiegen. Wegen etlicher anhängiger Prozesse will der Bauträger, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) noch keine endgültige Zahl veröffentlichen. Kolportiert werden 400 bis 420 Millionen Schilling für das 23 Obergeschosse hohe Gebäude mit durchschnittlich nur 90 Quadratmeter Nutzfläche je Etage.

Raimund Abraham hat den 1991 ausgeschriebenen Wettbewerb als Lokalmatador gewonnen - vor Hans Hollein. Die Wettbewerbsbeiträge wurden in einer Ausstellung weltweit gezeigt und in einem Buch veröffentlicht. Verglichen mit den Skizzen und Modellphotos des Siegerprojekts, wirkt die Ausführung etwas biederer: Von gläsernen Schneidezähnen, die sich wie Panzerschuppen die Fassade abwärts schieben, war damals die Rede. Nun ruhen die Scheiben in soliden Rahmen versenkt und werden gewiß fleißig gereinigt werden müssen.

"TransModernity"

Die Zeitverzögerung beim Bau zwang das Kulturforum zu einer zweiten Übersiedlung - diesmal in die Räume des Generalkonsulats an der 69th East. Im ersten Ausweichquartier (Ecke 3th/57. Street) war der Mietkontrakt abgelaufen.

Hier läuft nun die Planung des Eröffnungsfests, bei dem Österreich sein Moderne-Erbe mit aktueller Gegenwartskunst verknüpfen will. So etwa in der ersten großen Ausstellung "TransModernity" von 22. Mai bis Mitte August: Die Kuratoren Dietmar Steiner und Otto Kapfinger stellen Baukünstler von heute in Korrespondenz zu Architekten aus Österreich vor, die in den USA gewirkt haben (wie Urban, Schindler, Neutra, Kiesler, Rudofsky).

Sein Programm, sagt Thun-Hohenstein, will er stärker fokussieren auf Bereiche, "in denen die künstlerische Qualität als Szene besonders verdichtet ist - also etwa Architektur und elektronische Musik". Dieser wird vom 23. bis 30. April eine Konzertserie gewidmet sein, in der speziell das Schaffen des in die Emigration gezwungenen österreichischen Elektronik-Pioniers Max Brand, 1896 bis 1980, gewürdigt wird.

Mitteleuropa-Plattform

Granular Synthesis, das heuer bei der Biennale in Venedig bekanntgemachte Medienkunst-Duo, wird zwei verschiedene Installationen beitragen. In einem sechstägigen Literaturschwerpunkt sind zwei Tage für Thomas Bernhard reserviert, und weitere Termine dem "Jüdischen Gedächtnis", Ingeborg Bachmann, Marlene Streeruwitz und Elfriede Jelinek, der Wiener Gruppe und dem Forum Stadtpark. Weiters gibt es vier Tage Jazz aus Österreich und drei Tage Friedrich Cerha - mit einer Präsentation der neuen Oper "Der Riese vom Steinfeld" mit Thomas Hampson in der Titelrolle.

Auf Einzelausstellungen österreichischer Künstler auf den zwei knappen Galerie-Ebenen will Christoph Thun-Hohenstein verzichten. Das Haus soll einerseits als markantes Architektur-Exempel wirken, anderseits technisch (die neue Internet-Performance wird eben eingerichtet) und mit "kreativen Residenten" eingeklinkt sein in das Netzwerk Stadt und dessen Aktionen, Events.

Österreich hat mit den östlichen Nachbarländern Zusammenarbeit in der kulturellen Selbstdarstellung in Drittländern paktiert. Schon im Jänner/
Februar 2003 bietet sich das Österreichische Kulturforum als Plattform für sechs Staaten an. Das Thema: Mitteleuropa als Spannungsfeld in der Globalisierung.



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