Auf jedem Autobus, auf vielen Privatwagen und Gebäuden
prangen Stars and Stripes. In New York mutierte Trauer zum
trotzigen Jetzt-erst-recht! Eine US-Flagge baumelt auch vom Vordach des in
jeder Ansicht schrägen österreichischen Kultur-Turms an der 52. Straße
Ost. Baustahlgitter versperren den Weg zum Eingang. Die
Selbstverwirklichung aus Stahlbeton mit vorgehängter Glasfassade des aus
Osttirol stammenden, schon jahrzehntelang in New York lebenden Architekten
Raimund Abraham wartet nur mehr auf die Inneneinrichtung - produziert von
der Firma List in Niederösterreich.
Für den 18. April ist die feierliche Eröffnung angesetzt.
Direktor Christoph Thun-Hohenstein hat dafür ein bis 22. Juni dauerndes
Festival mit dem Titel "transforming modernity" vorbereitet.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel besichtigte den Bau, als
er vor einer Woche zur UN-Vollversammlung kam. Schüssel war Außenminister,
als das Parlament mit den Stimmen aller damals fünf Parteien dieses
symbolträchtige Engagement auf Manhattans Felsboden bewilligte. Dieser
politische Konsens bewährte sich als Risikoversicherung. Denn Abriß und
Neubau des Österreichischen Kulturinstituts - heuer wie alle Dienststellen
seinesgleichen in "Kulturforum" umbenannt - wurde von bösen Überraschungen
überschattet.
Asbestverseuchter Abbruchschutt war teuer zu entsorgen,
die beiden ersten Baufirmen gaben nacheinander auf. Heute hängt das Schild
des internationalen schwedischen Baukonzerns Skanska AB an der Baustelle.
Die Kosten stiegen. Wegen etlicher anhängiger Prozesse will der Bauträger,
die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) noch keine endgültige Zahl
veröffentlichen. Kolportiert werden 400 bis 420 Millionen Schilling für
das 23 Obergeschosse hohe Gebäude mit durchschnittlich nur 90 Quadratmeter
Nutzfläche je Etage.
Raimund Abraham hat den 1991 ausgeschriebenen Wettbewerb
als Lokalmatador gewonnen - vor Hans Hollein. Die Wettbewerbsbeiträge
wurden in einer Ausstellung weltweit gezeigt und in einem Buch
veröffentlicht. Verglichen mit den Skizzen und Modellphotos des
Siegerprojekts, wirkt die Ausführung etwas biederer: Von gläsernen
Schneidezähnen, die sich wie Panzerschuppen die Fassade abwärts schieben,
war damals die Rede. Nun ruhen die Scheiben in soliden Rahmen versenkt und
werden gewiß fleißig gereinigt werden müssen.
"TransModernity"
Die Zeitverzögerung beim Bau zwang das Kulturforum zu
einer zweiten Übersiedlung - diesmal in die Räume des Generalkonsulats an
der 69th East. Im ersten Ausweichquartier (Ecke 3th/57. Street) war der
Mietkontrakt abgelaufen.
Hier läuft nun die Planung des Eröffnungsfests, bei dem
Österreich sein Moderne-Erbe mit aktueller Gegenwartskunst verknüpfen
will. So etwa in der ersten großen Ausstellung "TransModernity" von 22.
Mai bis Mitte August: Die Kuratoren Dietmar Steiner und Otto Kapfinger
stellen Baukünstler von heute in Korrespondenz zu Architekten aus
Österreich vor, die in den USA gewirkt haben (wie Urban, Schindler,
Neutra, Kiesler, Rudofsky).
Sein Programm, sagt Thun-Hohenstein, will er stärker
fokussieren auf Bereiche, "in denen die künstlerische Qualität als Szene
besonders verdichtet ist - also etwa Architektur und elektronische Musik".
Dieser wird vom 23. bis 30. April eine Konzertserie gewidmet sein, in der
speziell das Schaffen des in die Emigration gezwungenen österreichischen
Elektronik-Pioniers Max Brand, 1896 bis 1980, gewürdigt wird.
Mitteleuropa-Plattform
Granular Synthesis, das heuer bei der Biennale in Venedig
bekanntgemachte Medienkunst-Duo, wird zwei verschiedene Installationen
beitragen. In einem sechstägigen Literaturschwerpunkt sind zwei Tage für
Thomas Bernhard reserviert, und weitere Termine dem "Jüdischen
Gedächtnis", Ingeborg Bachmann, Marlene Streeruwitz und Elfriede Jelinek,
der Wiener Gruppe und dem Forum Stadtpark. Weiters gibt es vier Tage Jazz
aus Österreich und drei Tage Friedrich Cerha - mit einer Präsentation der
neuen Oper "Der Riese vom Steinfeld" mit Thomas Hampson in der Titelrolle.
Auf Einzelausstellungen österreichischer Künstler auf den
zwei knappen Galerie-Ebenen will Christoph Thun-Hohenstein verzichten. Das
Haus soll einerseits als markantes Architektur-Exempel wirken, anderseits
technisch (die neue Internet-Performance wird eben eingerichtet) und mit
"kreativen Residenten" eingeklinkt sein in das Netzwerk Stadt und dessen
Aktionen, Events.
Österreich hat mit den östlichen Nachbarländern
Zusammenarbeit in der kulturellen Selbstdarstellung in Drittländern
paktiert. Schon im Jänner/
Februar 2003 bietet sich das
Österreichische Kulturforum als Plattform für sechs Staaten an. Das Thema:
Mitteleuropa als Spannungsfeld in der Globalisierung.
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Die Presse | Wien