DiePresse.com

DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Art Forum: Berliner Stilkrise

26.09.2009 | 18:47 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Berlin ist die Kunsthauptstadt Europas. Die Kunstmesse Art Forum aber verliert an Profil. Dafür nahmen erstmals wieder mehr Wiener Galerien teil.

Grillpartys beginnen hier schon mal um Mitternacht, etwa wenn Künstlerstars wie Olafur Eliasson und Tobias Rehberger am Grill stehen. Vernissagen werden in halb privaten „Townhouses“ gefeiert. Gerwald Rockenschaub legt bis frühmorgens in einem trockengelegten Schwimmbad auf. Und die offizielle Kunstmesse, das „Art Forum“, hat derart viele Alternativveranstaltungen an schrägen Orten, in leer stehenden Flughäfen, Umspannwerken, Bürogebäuden, dass man, einmal auf die Pirsch gegangen, nur noch schwer zurückfindet.

Manchmal, etwa wenn man zufällig arbeiten muss, ist Berlin fast zu entspannt. Das bekommen vor allem die 130 Galeristen zu spüren, die sich beim heute, am Sonntag, zu Ende gehenden Art Forum die Füße in den Bauch stehen und von frühmorgens bis frühmorgens Sammler, Künstler, Journalisten betreuen müssen. Selbst der Wiener Georg Kargl, Österreichs treuester Art-Forum-Teilnehmer, Part des „Selection Committee“ und mit einem formal perfekten Stand vertreten, stöhnt ein wenig. Wobei er dieses Jahr einen kleinen Triumph feiern darf – erstmals seit Jahren sind ihm wieder einige wichtige Kollegen nach Berlin gefolgt –, Krinzinger, Schwarzwälder, Insam, König, Krobath sind teils nach längeren Pausen wieder beim Art Forum dabei.

Wenig Kohle, viel Prestige. Aus Innsbruck reisten die Thomans und Bernd Kugler an, Nikolaus Ruzicska aus Salzburg. Ein Stammgast dagegen ist die Galerie Ropac, obwohl Galerieleiter Arne Ehmann klar ist, hier weniger Kohle als Prestige scheffeln zu können – er zeigt drei Duos, Gilbert und George, Art and Language sowie einige der Gemeinschaftsarbeiten von Arnulf Rainer und Dieter Roth, die voriges Jahr im Belvedere ausgestellt waren.

Auch die großen Berliner Galerien wie Max Hetzler und Klosterfelde sind wieder beim Art Forum dabei, nachdem sie voriges Jahr aus Protest sogar eine eigene Gegenmesse gegründet haben – die „abc“. Die zwar auch heuer wieder stattfindet, diesmal aber in enger Kooperation mit dem Art Forum und in ungewöhnlicher Form: In der Akademie der Künste bekam jede Galerie für je einen Künstler einen simplen Architektentisch als Bühne zur Verfügung gestellt. Das originellste Messekonzept für Krisenzeiten bisher: Vadim Fiskin lässt zwei Föhns Pingpong spielen; Werner Reiterer hat ein Schild „Will be back in 5minutes, god“ auf seinen Tisch gelegt; und der Franzose Saâdane Afif, der zuletzt im Kunsthaus Graz ausstellt hat, rechnet damit, dass niemand Skerbischs Lichtschwert vor der Grazer Oper kennt – er zeigt ein ähnliches Gerüst der Freiheitsstatue als Prozessionsfigur.

Eine kommerzielle Konkurrenz zum Art Forum, wie voriges Jahr, ist die abc-Messe jedenfalls nicht mehr, sie wurde geschickt zu Tode umarmt von den zwei neuen Direktoren, beide von der gewichtigen Basler „Art“ abgeworben, Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch. Dafür, dass Letzterer dort jahrelang Pressesprecher war, gelang die Antrittspressekonferenz allerdings reichlich holprig. Statt die – für eine Messe rein zeitgenössischer Kunst – demütigende Frage nach dem „teuersten Werk“ inhaltlich zu kontern, gestand Vetsch nur ein, es einfach nur noch nicht ausgemacht zu haben.

Ein Hinweis darauf, dass aus der Cutting-Edge-Messe, streng Contemporary, lässig Berlin-trashig, eine verwechselbare Verkaufsmesse wird? Noch sind es nur Ahnungen, aber auch die neue Öffnung zum Kunsthandel lässt aufhorchen – es sollte hier vermehrt auch Kunst ab 1960 gezeigt werden, um ein breiteres Publikum anzusprechen, so Vetsch. Aufgegeben wurde auch die kuratierte Ausstellung innerhalb der Messe, und selbst die demokratische Platzverteilung nach Alphabet wurde zugunsten des üblichen Primats der Mächtigsten geopfert. In den Kojen selbst dominierte Kleinformatigeres, Gerahmtes, schnell einzukaufen für die Wohnzimmerwand. Wenige trauten sich an Einzelpräsentationen, Installationen, Videos. Die Krise? Vielleicht. Aber eher eine Stilkrise der bisher unverwechselbaren Messe.

Krobath in Berlin. Denn in der Wirtschaftskrise wird sich das günstige Berlin mehr denn je als Kunsthauptstadt Europas beweisen. Zumindest vordergründig ging es hier sowieso nie um Geld, der Fokus liegt auf produzieren und distribuieren. Das reizt auch immer mehr Galeristen aus dem international etwas abgelegenen Wien, Heike Curtze betreibt schon jahrelang eine Filiale hier, es folgten voriges Jahr Charim, Rosemarie Schwarzwälders Sohn Nikolaus Oberhuber hat mit Partnern das schicke KOW gegründet, und Helga Krobath hat seit Kurzem ebenfalls einen Koffer in Berlin – sie zog gemeinsam mit der Berliner Galerie Johnen und der Hamburger Produzentengalerie in ein elegantes neues Galeriehaus nahe dem Boros-Kunstbunker. Am Freitag eröffnete sie mit Collagen von Ji?i Kovanda.


© DiePresse.com