Nr. 36 / Mechanical Bull - Rus in Urbis", 2009
Idealerweise
hätte man die Ausstellung von Clegg & Guttmann bei der Eröffnung
gesehen; schließlich geht es in der Schau um "Varianten des
ästhetischen Kollektivismus" - also um ästhetische Erfahrungen, die
nicht individuell, sondern gemeinsam erlebt werden wollen. Dennoch
überzeugt ihr konzeptueller künstlerischer Ansatz auch dann, wenn man
nur noch die Mittel ihrer "Lektionen" sieht.
Üblicherweise eignen
sich Ausstellungseröffnungen nicht wirklich zur Kunstbetrachtung: Man
verwickelt sich in Gespräche, die weit weg von den präsentierten
künstlerischen Anliegen führen, oder es ist schlicht und einfach die
Sicht auf die Werke versperrt. In der Ausstellung von Clegg &
Guttmann hat man dagegen das Gefühl, zu spät zur Party gekommen zu
sein: Offenbar wurde dort zur Eröffnung nicht nur gemeinsam gezeichnet,
sondern zum Takt eines mechanischen Bullen auch gemeinsam getanzt.
Im ideologischen Streit zwischen individueller und kollektiver Kunstrezeption hat sich das Künstlerduo eindeutig positioniert und sich auf die Seite des Kollektivismus gestellt. Dass man sich als individueller Betrachter in der Schau etwas verloren vorkommt, ist demnach Teil des Konzepts, das verschiedene "sozialkommunikative Prozesse" und damit einhergehende Wahrnehmungsweisen erprobt.
What can be expressed and what is always left out from the description, titelt etwa eine Arbeit im Eingangsbereich, die die Besucher über die Aufforderung zum Zeichnen in ein gemeinsames "ästhetisches Projekt" involviert. Im Untergeschoß hängen Fotografien einer weiteren "Multi-Teilnehmer-Aktion" an der Wand: Es handelt sich dabei um vier Aktmodelle, die über eine Metallkonstruktion aneinandergebunden sind und abwechselnd die Rolle von Modell, Zeichner und Rezipient übernehmen. Das gemeinsam Tun, nicht die Zeichnung, ist hier das "künstlerische Produkt", dessen herkömmliche Logik das Duo auch mit seinem Werkzeugschuppen befragt: Im öffentlichen Raum installiert, sollte dieser über den Austausch von Werkzeug eine selbstorganisierte Gemeinschaft aufbauen, die ihre eigenen Regeln zur Nutzung bestimmt.
Müsste man eine "Lerngruppe" wählen, wäre man allerdings zweifellos lieber bei einer der spaßigeren Lektionen dabei. (cb / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.12.2009)
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