VN Mi, 20.3.2002

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Gelungene Anmache

"B2Sex" in der Galerie Lisi Hämmerle

Bregenz (VN-ag) In Berlin konnte sich keiner erinnern, wann zuletzt, und ob überhaupt, eine Künstlergruppe mit dem Senatsstipendium ausgezeichnet wurde. Im letzten Jahr war es jedenfalls die Bewegung NURR mit ihrer Installation "B2Sex". Mit "B2Sex" sind die drei nun auch in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle zu Gast.

NURR, das ist ein Triumvirat. NURR, das sind Alekos Hofstetter (geboren 1967, Berlin), Christian Steuer (geboren 1966, Dresden) und Lokiev Stoof (geboren 1969, Berlin). Und NURR bedeutet arabisch so viel wie "Licht". Licht? 1989 bei der Gründung in Dresden war auch eine Sektengründung denkbar. Geworden ist es doch eine Künstlergruppe, geblieben ist der Name, und für Erleuchtung sorgen die drei sowieso, denn hier wird wirklich gute Kunst geboten.

Sex im Büro?

Abgeleitet aus "Business to Business" und aus den Erfahrungen von NURR in einem Berliner Callcenter entstand "B2Sex". Bestehend aus drei Fotoarbeiten und einem Video auf einem Siegerpodest, führt "B2Sex" den Glanz der New Economy auf ebenso ironische wie perfide Weise ad absurdum. Eingebettet in den Kontext von Beobachtung und Überwachung überdreht die Videoarbeit - die die drei NURR-Männer in rosafarbenen Hemden und nach Arbeitsschluss hinter ihren Computern zeigt, in eindeutig erotischen und animierenden Posen - die exemplarische Situation eines Fotos: es zeigt einen Still aus einem Überwachungsvideo, wie sich eine unbeobachtet geglaubte Frau mit nacktem Hinterteil auf einen Kopierer setzt. Eine fast zwanghaft wirkende Flucht aus der genormten Arbeitswelt, wo für individuelle Sehnsüchte kein Platz ist. Coolness in den beiden anderen Fotos der Serie: Das menschenleere Callcenter und die drei blauen Bürostühle sind weit entfernt von der frivolen Sex-im-Büro-Situation des Videos, wo vielmehr der Betrachter sexuell belästigt wird.

Kapitalismus-Kritik

Vor dem Horizont des Kapitalismus und dem verblassenden Glanz der New Economy übt NURR Kritik an den Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Beschäftigt mit Modellen "an den Schnittstellen von Ästhetik, Medialität, Propaganda, Emotion und Marketing" (Peter Funken) verweist "B2Sex" auf die Unvereinbarkeit heutiger Arbeitssituationen mit menschlichen Gefühlen wie Lust. Trotz des ernsten Hintergrundes eines neuen Datenproletariats macht es Spaß, wie NURR, die ausschließlich als Kollektiv zeichnen und häufig mit der Zahl Drei operieren, das umsetzt. Die Kopie als Markenzeichen, von der Standard-Geste aus dem Video bis hin zu den aus den Medien entlehnten Bildern, lässt man sich diese Art der Anmache ausnahmsweise gern gefallen.

Das Triumvirat NURR: wirklich gute Kunst. (Foto: Gruppe Nurr)




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