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Intellektuelles Kompetenzzentrum

Gerald Matt leitet seit sieben Jahren die Kunsthalle Wien, die soeben ihren zehnten Geburtstag gefeiert hat.

TT: Die Kunsthalle Wien ist zehn Jahre alt. Zeit für Bilanzen.

Matt: Es ist gelungen, aus einem Provisorium eine Kunstinstitution zu machen, die aus Wien nicht mehr wegzudenken ist. Das zentrale Ereignis war vor zwei Jahren der Umzug vom Container am Karlsplatz in das Museumsquartier. Diese ehrwürdigen Hallen zu bewältigen ist uns, glaube ich, ganz gut gelungen. Wir konnten unserem Haus einen Charakter geben, unser Profil schärfen, auch im Hinblick auf unsere Nachbarn wie das Leopold-Museum und das Museum Moderner Kunst.

TT: Wie hat sich mit dem Umzug das Profil gewandelt?

Matt: Klassische Moderne werden wir in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen nun ein zeitgenössisches Kompetenzzentrum sein, in dem wir Themen, die wir für wichtig erachten, im Zusammenhang mit der Stadt reflektieren.

TT: Wird es folglich keine Einzelausstellungen in der Kunsthalle mehr geben?

Matt: Doch, wir werden auch in Zukunft Künstlern Einzelpräsentationen widmen, besonders solchen, die popularkulturelle Phänomene kritisch hinterfragen. Darüber hinaus ist uns die Präsentation weltweiter multipler Zentren wichtig, Orte, an denen künstlerische Energien sich verdichten. Und schließlich gilt unser Interesse österreichischen Positionen, die außerhalb des Mainstreams arbeiten.

TT: Werden diese Ausstellungen vom Publikum auch angenommen?

Matt: Wir haben in den zehn Jahren unseres Bestehens 1,2 Millionen Menschen erreicht, im vergangenen Jahr 190.000. Wir können behaupten, dass wir im Verhältnis zu Größe Wiens eines der bestbesuchten Häuser in Europa sind.

TT: Ist das gelungen, weil die Kunsthalle fast ausschließlich Eigenproduktionen zeigt?

Matt: Vor meiner Zeit - vor 1996 - war auch die Kunsthalle Wien zu 80 Prozent Durchgangsort wandernder Ausstellungen. Seit einigen Jahren produzieren wir aber fast alle unsere Schauen selbst. Ich und drei fest am Haus engagierte Kuratoren teilen uns das Programm, um auf diese Weise zu einem intellektuellen Kompetenzzentrum zu werden, das befruchtend auf die ganze Stadt wirkt.

TT: Wie wichtig ist Ihnen die Kunstvermittlung?

Matt: Ich verstehe die Kunsthalle als kommunizierendes Gefäß zwischen Kunst, Künstlern und Publikum. Wir verstehen uns als soziales Wesen, das ernst nimmt und auch ernst genommen werden will. Für die Zukunft planen wir eine Vermittlungsoffensive, wird die Vermittlung nach amerikanischem Vorbild gleichberechtigt mit den Kuratoren.

TT: Und nun ein Blick in die Zukunft.

Matt: Wir hoffen, die Halle am Karlsplatz als Bio-
top für die junge Szene erhalten zu können. Sie hat für uns Leuchtturmfunktion. Unser Publikum ist sehr jung, nur drei Prozent sind über 60. Aber das ist nur eine biologische Frage, unsere Arbeit wird fruchten, unser Publikum sicher ausgewogener werden. Wir denken in Zeiten schrumpfender Budgets aber auch an die Kooperation mit uns nahe stehenden Häusern.

TT: Liegt die Kunsthalle Wien noch immer mit der Museumsquartiergesellschaft im Clinch?

Matt: Es ist kein Geheimnis, dass wir mit dem Museumsquartier nicht sehr glücklich sind. Und dies, obwohl ich nach wie vor an die Idee Museumsquartier glaube. Der Standort ist gut, auch der Pluralismus, aber es sollte kein schwerfälliger, eingebunkerter Kunsttanker entstehen, sondern ein lebendiges Kunstviertel. Doch die Museumsquartiergesellschaft tut nichts anderes als die an sich so fruchtbare Idee des kreativen Wettbewerbs zu behindern. Sie glauben, Subkultur in der Form des Quartier 21 von oben verordnen zu können und das muss schief gehen. Andererseits hat man Initiativen, die funktionierten, vertrieben und dies allein aus politischen Gründen. Das muss einmal gesagt sein. Und jetzt sind wir in der Situation, dass das Museumsquartier schon jetzt dringend eine Vitalisierung braucht und das kann nicht in der Form von Punschbuden passieren.

TT: Sie sind seit 1996 Chef der Kunsthalle. Amtsmüde?

Matt: Mein Vorstand hat meinen Vertrag soeben verlängert. Ich werde der Kunsthalle also um weitere hoffentlich fruchtbare Jahre erhalten bleiben. Wir planen bereits einen weiteren Expansionsschritt. Aber darüber reden wir ein anderes Mal.
2003-01-03 15:04:34