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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | Biennale von Venedig  
07. Juni 2007
19:16 MESZ
 Foto: APA  / Codato
Vor der Kulisse des Josef-Hoffmann-Pavillons in den venezianischen Giardini: Herbert Brandl.

Mit Öl und Pinsel gegen Drachentöter: Herbert Brandl
Österreichs Vertreter in Venedig bringt mit dreizehn Ölbildern das Arbeiten "nach der Natur" frisch und überzeugend zur Geltung

Ein Programm zur Wiederverzauberung, zu bewundern im Josef-Hoffmann-Pavillon


Und dann kommt im 21. Jahrhundert plötzlich einer mit Landschaften daher, mit Bergen und Wäldern. Und ehe man sich der aktuell so beliebten Frage stellen kann, ob das denn erlaubt sei, ist man schon dem Zauber erlegen, und sucht in den Granitblöcken nach genau den Drachen, die das Kindsein prägten, die in finsteren Höhlen ihrem Tagwerk nachhingen, die inständig Feuer speien mussten, um der Menschen Fantasie auszulösen.

Arme Drachen, denkt man sich, möchte selbst nicht tagein, tagaus in so einer Grotte sitzen und darauf warten, von Richard Wagner missbraucht oder von einem Ritter auf der Suche nach Profil aufgespießt zu werden, und fühlt trotzdem eines: Neid! Weil man schon auch so gewaltig sein möchte, so prägend über die Generationen. Stolz wie ein Fels, so massiv wie ein Massiv, so finster, wie nur ein Wald finster sein kann.

Einer sagte "Kitsch"

Allein: Irgendwann hat irgendwer "Kitsch" gesagt und alles ruiniert - lange, bevor Herbert Brandl zum Österreich-Teilnehmer der 52. Biennale in Venedig gekürt wurde. Irgendwann hat einer gesagt, dass die Geborgenheit im Gemeinplatz falsch und also verachtenswert wäre, und schon war alles kaputt. Und dem einen, der das gesagt hat, ha- ben dann in der Folge alle geglaubt.

Der "röhrende Hirsch" ist eine Lüge, hat er gesagt, die "Waldeinsamkeit" auch, und auch den Schatz im Silbersee soll es in echt gar nicht gegeben haben, hat er behauptet. Und weil die Überlieferung eindeutig sagt, dass man nicht lügen soll, sind wir dem einen gefolgt, haben die Romantik der Falschheit bezichtigt, das Erhabene der Lüge, die Idylle der Vorspiegelung falscher Tatsachen, haben das Großmächtige der Berge nur klammheimlich auf uns einwirken lassen. Tagsüber haben wir der Öffentlichkeit versichert, keine Pornos zu konsumieren, und am Wochenende sind wir so weit gegangen, unsere Großmütter ob ihrer Bromöldrucke über den sanktionierten Vollzugsstätten zu verachten.

Ödnis der Aufklärung Und mit der ganzen Aufklärung ist dann alles irgendwann öd und leer geworden, wollte sich Betroffenheit nicht einmal mehr angesichts streng limitierter Videoauflagen einstellen, die von ausgezehrten Kindern in albanischen Plattenbauten künden. "Die Wand" haben wir bloß noch als Metapher für maskuline Gewalt wahrgenommen, den Berg als Gipfel der Verachtung. Und bei all dem korrekten Tun sind uns dann schleichend die Motive ausgegangen, mussten wir urplötzlich feststellen, dass einem ganz schön fad wer- den kann dabei, nicht anzugreifen, was sich aufdrängt. Und also hat Herbert Brandl wieder den Berg ins Spiel gebracht, den Wald, die Landschaft und die dazugehörigen Stimmungen.

Brandl hat den Österreichischen Pavillon in den Giardini mit 13 Bildern ausgestattet, mit 13 unterschiedlichen Großformaten, allesamt 2007 entstanden.

Und er hat den Josef-Hoffmann-Pavillon adaptiert, hat Zwischendecken eingezogen, die Eingangssituation geklärt, die Böden neutralisiert. Und er hat eine Wand im Garten hochgezogen, eine neutrale Fläche, um ein Bild unmittelbar dem Licht Venedigs auszusetzen. Es hängt nun in der zentralen Achse des offenen Pavillons - und markiert ein markant programmatisches Statement. Herbert Brandl und Kurator Robert Fleck haben einen Solitär in die Giardini gesetzt, den einzigen voll und ganz der Malerei gewidmeten Pavillon. Herbert Brandl hat dazu dem Malen erneut Bilder abgerungen, die sich in einer visuell vermüllten Welt nicht nur behaupten, sondern vielmehr noch imstande sind, Klarheit zu schaffen, aus ein paar Händen voll Pigment und dem Nötigen an Bindemitteln höchst präzise Mehrdeutiges zu formulieren.

Was schafft Rührung?

Was, hat Brandl sich gefragt, macht eine Landschaft so beeindruckend, was hat diese Natur bloß, das uns so rührt? Und was braucht es, sich davon eines jener Bilder zu machen, die wir alle so gern haben? So kam es zur Wiederbesteigung des Mont Sainte Victoire. Und - unter zwangsläufiger Berücksichtigung aller historisch relevanten Sherpas - zur Frage, wo denn der Kipppunkt zwischen dem Wiedererkennungswert als Natur und der rein emotionalen Wirkung als Farbfeld zu finden ist.

Die Besteigung äußert sich als Suche nach der Essenz bildgebender Verfahren, danach, was es ist, das etwa Monumentalität ausmacht, welche Koordinaten anzugeben sind, um das Gefühl "Pulverschnee" zu wecken, welcher Hinweise es bedarf, um Dritte an "Alm" denken zu lassen, an Moos und feuchtes Laub. Und selbstverständlich kommen die Vorbilder nicht unbedingt nur draußen in der Natur vor, sie finden sich ebenso in den Galerien der Alten Meister wie in Schnappschüssen oder absichtsvoll konstruierten Fotografien.

Während der Vorbereitung Herbert Brandls auf die Biennale hat Journalistin Andrea Schurian ein filmisches Porträt gedreht. Himmel über Venedig ist denn auch am 11. Juni in der Reihe "art.genossen" im ORF zu sehen. (Markus Mittringer aus Venedig / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2007)


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