Lego für Archäologen?
Von Claudia Aigner
Was kann das bloß sein, wenn Erdziegel so lückenlos in eine
Metallschachtel hineingeschlichtet werden, dass sie theoretisch fortan
dieselbe Platzangst haben wie Hefeteig in der Kuchenform? "Lego für
Archäologen" (sozusagen ein Ruinenbausatz, um sicherzustellen, dass man
doch noch die Überreste von irgendeiner sagenhaften Stadt "findet")?
Handgepäck sind diese Stahlbehälter freilich nicht, weshalb sie als
Erste-Hilfe-Kasten fürs Archäologen-Ego wohl doch eher auszuschließen
sind. Architekt und Galerist Peter Lindner: "Also ich dertrag's nicht. Der
Spediteur hat's hereingetragen." Wie auch immer: Die charismatischen
Objekte von Madeleine Dietz (bis 16. Februar in der Galerie Lindner,
Schmalzhofgasse 13) sehen nach einem metaphorisch aufgeladenen, geradezu
religiösen Minimalismus aus. Auch wenn niemand allen Ernstes einen halben
Zentner Do-it-Yourself-Ruine mit sich herumschleppen wird, ist die
Assoziation mit Architektur nicht gänzlich abwegig. Dietz stellt ihr
"Baumaterial" selbst her: Sie lässt Erdschlamm trocknen, bis er rissig
wird, und muss die einzelnen Bröckerln nur noch aufheben. Nicht zuletzt
sind die Säulen, die Dietz aus solchen Schollen (aus "verdursteter" Erde)
aufstapelt, Architektur (gewissermaßen die Kurzfassung eines Gebäudes:
Zeig mir eine Säule und ich denke mir den Palast von Knossos drumherum).
Wenn Dietz nun ein Mädchen in einem Blümchenkleid auf die Säule
projiziert, haucht sie der Erde quasi wie in der biblischen
Schöpfungsgeschichte den Odem des Lebens ein. Und die Säule haucht das
Leben regelmäßig wieder aus (wenn das Dia wieder weiterwandert). Man kennt
das ja: Erde zu Erde. Als Dietz unlängst ihren erwachsenen Sohn und
ihre erwachsene Tochter auf ebensolche Säulen projizierte, hat man noch an
Adam und Eva denken können (freilich an Adam und Eva nach dem Sündenfall
und nach der Erfindung der Jeans-Hose). Das Kind im Blümchenkleid ist aber
eher der Erdling "an sich". Eva hatte ja bekanntlich keine Kindheit nötig.
Was diese Skulpturen auszeichnet, ist nicht nur ihre "sakrale
Einfachheit" und Prägnanz. Dietz weiß auch, wie man mit
Materialgegensätzen spannungsreich und bedeutungsvoll hantiert: Erde und
Stahl "alias" Natur und Kultur. Und angesichts eines Dornengebüschs hinter
einem Metallgitter kann man fast nicht anders, als nostalgisch an ein
Dornengestrüpp der Gebrüder Grimm zu denken und eventuell zu mutmaßen,
dass irgendein unsensibler Bauunternehmer Dornröschens Dornenhecke
ausgerissen hat, weil er an die Stelle des Märchenschlosses eine
"Erlebniswelt" hinbauen möchte. Und der Titel "Nur noch Erinnerung" macht
es fast unmöglich, nicht in Nostalgie zu zerfließen.
Erschienen am: 23.01.2001 |
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