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Otto Muehl entschuldigt sich bei Missbrauchsopfern

10.06.2010 | 14:27 |  (DiePresse.com)

Mehr als sechs Jahre saß der Künstler wegen Unzucht mit Unmündigen im Gefängnis. Nun entschuldigt sich der Kommunen-Gründer bei seinen Opfern: "Ich hoffe, dass sie mir verzeihen."

Überraschend hat sich der Künstler Otto Muehl (auch: Otto Mühl) wenige Tage vor seinem 85. Geburtstag in einem Brief für jene Taten entschuldigt, für die er 1991 zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Tatsache, dass er zwar sechseinhalb Jahre in Haft verbracht hatte, sich aber nie öffentlich bei den Opfern entschuldigt hatte, war in der Diskussion um sein künstlerisches Werk und seine gesellschaftlichen Experimente immer wieder kritisch angemerkt worden. "Ich bereue es sehr", lautet die Kernaussage eines Briefes, den Muehl vor zwei Tagen an die Leiterin des Muehl Archivs, Daniele Roussel, geschrieben hat. Sie verlas den Brief öffentlich in einer Pressekonferenz .

"Menschen verletzt"

"Dass ich mich öffentlich entschuldige, mache ich heute, weil ich auf keinen Fall das Gefühl hinterlassen möchte, dass es mich kalt lässt, dass ich Menschen verletzt habe und dass sich Menschen von mir verletzt gefühlt haben", heißt es in dem Brief.

Roussel hatte vor wenigen Tagen im MAK bei einer Podiumsdiskussion gesagt: "Ich glaube, dass Otto Muehl in vielen Bereichen gescheitert ist, und dass er es weiß." - "Ich glaube, du hast mich vollkommen verstanden, dass ich mich in einigen Sachen grundsätzlich geirrt habe", schrieb daraufhin der an Parkinson erkrankte Muehl aus Portugal seiner Vertrauten.

"Ich wollte mich befreien"

"Ich habe als Künstler und, davon angestachelt, auch als Mensch Risiko auf mich genommen. Das Thema war äußerst empfindlich und schwierig und dadurch habe ich kräftig daneben gegriffen. Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt", so Muehl. "Es war auf keinen Fall meine Absicht. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen."

Der Aktionskünstler Otto Muehl hatte 1970 eine Kommune gegründet, die in den folgenden Jahren den Friedrichshof im Nordburgenland zu ihrem Zentrum ausbaute und zeitweilig mehrere hundert Mitglieder umfasste. Das Prinzip der freien Sexualität sollte die "schädliche" Zweier-Beziehung ersetzen. Mitte der 80er Jahre wurde auf der Kanarischen Insel La Gomera ein weiterer Stützpunkt geschaffen.

Zu sieben Jahren Haft verurteilt

Im November 1991 war Muehl in Eisenstadt wegen einer Reihe von Sittlichkeitsdelikten, allen voran Unzucht mit Unmündigen, sowie Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Im Dezember 1997 kam er aufgrund einer Amnestie frei. Am 16. Juni wird er 85 Jahre alt.

Froh und erleichtert reagierten heute die Organisatoren der Muehl-Ausstellung im Leopold Museum und ein Vertreter der Initiative ehemaliger Mitglieder der Kommune Friedrichshof auf den Brief. "Das macht die Sache viel einfacher. Es war immer ein Problem, dass er sich zu seiner Schuld nicht bekannt hat", sagte Hans Schroeder-Rozelle, Vertreter der Gruppe re-port, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Öffentlichkeit über Muehl zu informieren, seiner "Mystifizierung" entgegenzuwirken und zu "verhindern, dass Muehls Verbrechen zur Kunst erklärt und ausgestellt werden".

"Ich freue mich unendlich über diesen Brief", sagte Elisabeth Leopold. "Es wird, wie wir hoffen, ein neuer Diskurs über dieses Werk möglich sein."

>> Otto Muehls Brief im Wortlaut

 


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