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Die zwei neuen Videoarbeiten der Belgraderin Milica
Tomic, die diesen Winter im Innsbrucker Taxispalais zu sehen sind,
thematisieren die komplexen Beziehungen zwischen Identitäts- und
Geschlechterpolitiken, Nationalismus und Rassismus, und die
Möglichkeit über sie als Dispositive eines antagonistisch
sozialisierten Subjekts zu sprechen. Die erste trägt den ebenso
einfachen wie verfänglichen Titel »Portrait meiner Mutter«. In ihr
politisiert Tomic die Biografie ihrer Mutter als exemplarische,
differenziert aber gleichzeitig den Kontext nationalistischer
Emphase im heutigen Jugoslawien anhand ihrer Autobiografie als die
Trennungs- und Ganzheitsfantasien eines Eltern-Kind Verhältnisses.
Eine Kamerafahrt durch Belgrad an einem trüben Sommertag
nach dem Ende des NATO-Bombardements, von der Wohnung der Künstlerin
zu der ihrer Mutter in Echtzeit: Dieser Weg durch das Zentrum der
Stadt zur Wohnung der Mutter in einer modernistischen Trabantenstadt
aus der Titozeit an der Peripherie - vorbei an muslimischen
Siedlungen aus der Jahrhundertwende und einem von NATO-Bomben
getroffenen Wohnhaus - überblendet ein zentrales Motiv der Gespräche
der beiden Protagonistinnen mit architektonischen Figuren im
Stadtraum: Das Motiv des - verlorenen - Modernismus. In ihm
verdichten sich die Widersprüche, von denen das Band auch handelt.
Die Diskurse - und die Bauten - des titoistischen, jugoslawischen
Modernismus tragen ihr Verfallsdatum wie ihre noch immer wirksamen
Utopien sicht- und hörbar in sich eingeschrieben mit.
Tomics
Mutter, eine für ihren abstrakt-minimalistischen Stil bekannte
Theater- und Fernsehschauspielerin (u.a. als Hauptdarstellerin der
beliebten Serie »Der demütige Bürger«) hatte sich nach persönlichen
und beruflichen Krisen Ende der Siebziger von der Bühne
zurückgezogen und begonnen Tapisserien zu weben, jetzt nahezu
spirituell besessen von Ideen des Natürlichen, Organischen und der -
serbischen - Tradition und Religion. Es waren die Jahre der Pubertät
und Adoleszenz ihrer Tochter, in die auch das Auftauchen der ersten
Zeichen eines ausbrechenden ethnischen Nationalismus und der Kritik
der Teilrepubliken am verfassungsmäßigen anti-rassistischen Konsens
des Staates fielen. Marija Milotinovic, die Mutter, ließ sich damals
zudem von ihrem zweiten, muslimischen Mann scheiden. Diese doppelte
Repräsentation einer Identitätskrise der Mutter - im Dialog mit der
Tochter zum Beispiel nacherzählt als Auseinandersetzung über die
korrekte Aussprache des Vornamens eines Kindermädchens, also über
dessen ethnische Zugehörigkeit - und deren Konfrontation mit den
flexiblen und performativen Identitätskonzepten der Tochter spiegelt
sich gleichsam in den Räumen, die die Tochter durchschreitet, um im
Haus der Mutter anzukommen - einem Haus, das nicht nur in seiner
Architektur die Projektion einer Zukunft repräsentiert, die in der
Belgrader Gegenwart desavouiert erscheint. Wie um das Trauma dieser
Entwicklung im Unbewussten abzuarbeiten, schneidet Tomic an
Bruchstellen der Erzählung Passagen von Schwarzfilm mit
bildhaft-geräuschvollen Tonsequenzen ein und schaltet auf Zeitlupe,
wenn ihr zufällig Personen in den Weg treten, deren Biografien mit
jener der Mutter verwoben sind.
Der erste Blick auf die
lapidaren Einstellungen der subjektiven Kamera - und der amikale,
kolloquiale Ton des Gesprächs, in das auch eine Freundin der Mutter
eintritt - suggerieren, dass es in diesem Portrait um die
Darstellung eines unsentimentalen, von Verständnis getragenen
Verhältnisses zweier Frauen verschiedener Generationen geht, dessen
Ort nur zufällige Kulisse ist. Am Ende des einstündigen Videos tritt
Tomic selbst ins Bild: die beiden Frauen umarmen sich. Die
Kameraeinstellung zeigt lange das Gesicht der Tochter und dann die
Gestalt der Mutter von hinten und dann eine fast demütige Geste: die
Mutter küsst mehrmals die Hand der Tochter.
Eine
Diaprojektion als zweiter Teil der Installation dechiffriert unter
anderem den symbolischen Gehalt dieser Geste: Die Mutter
repräsentiert auch das vielfach gebrochene Verhältnis der Tochter zu
Serbien. Sie ist Serbien. Tomic, als anitrassistische
Tito-Partisanin sozialisiert, blendet hier die Marken ihrer
Trennungsgeschichte von der Mutter, die ihre Identität gewechselt
hat, ein: das oft reproduzierte Historienbild der »verlorenen«
Schlacht am Amselfeld; einen kolorierten Kupferstich, der einen über
und über tätowierten albanischen Prinzen aus dem 19. Jahrhundert
zeigt; die anatomische Darstellung der richtigen Verwend-ung eines
Tampons.
Anders als im »Portrait der Mutter« geht Tomic in
der zweiten neuen Videoarbeit ihrer Personale (13. November bis 9.
Jänner 2000) mit der Verortung der Distanz zwischen biografischen,
sozialen, geschlechtsspezifischen und nationalen
Identitätskonstruktionen um. Wie eine Revolutionsheroine in
Erinnerung an die historischen Prozesse in denen Aufklärung, Moderne
und Nationalstaat gemeinsame Wurzeln haben, skandiert sie in »Ich
Milica Tomic« in den Landessprachen von 65 Staaten: »Ich bin Milica
Tomic, ich bin Österreicherin«, »Serbin«, »Britin«, »Koreanerin«.
Jeder dieser identifikatorischen Sätze bricht in einer Wunde aus und
zieht eine blutige Spur ihren Körper entlang. Die vermeintlich
eindeutige und natürliche - nationale - wird zu einer schmerzend
vieldeutigen - konstruierten - Identität.
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