Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Amsterdam: Das Rijksmuseum kreist um Damien Hirst – Die Heremitage zeigt Caspar David Friedrich

Schädel und romantische Symbole

"For the Love of God" von Damien Hirst. Foto: dpa

"For the Love of God" von Damien Hirst. Foto: dpa

Von Michaela Schlögl

Aufzählung Das Rijksmuseum in Amsterdam wird generalrenoviert. Gezeigt werden, auf einem Bruchteil der eigentlichen Museumsfläche, spektakuläre "Klein"-Expositionen. Derzeit steht Damien Hirst im Mittelpunkt einer Ausstellung, die den Namen Event verdient: Der britische Establishment-Künstler ließ ja jüngst mit seiner Ansage, er werde sich von zahlreichen Mitarbeitern seiner Kunstproduktionsfirma wegen der Finanzkrise trennen müssen, aufhorchen.

In Amsterdam setzt man einen glamourösen Hirst- Kontrapunkt zur wirtschaftlichen Depression: In einem gänzlich schwarz ausstaffierten Raum, der so dunkel ist, dass sich der Besucher an der Wand entlang tasten muss, wird Hirsts weltberühmter, über und über mit Diamantenintarsien versehener Schädel mit dem Titel "For the Love of God" als Weltpremiere gezeigt.

Der Knochenkopf wurde vom 43-jährigen Künstler mit 8601 edlen Steinen besetzt, auf der Stirne prangt ein großer rosafarbener Klunker in Birnenform. Hirst modellierte den Platinabguss angeblich auf der Grundlage des Totenkopfes eines Europäers, der im 18. Jahrhundert verschied. Die Zähne sollen echt sein und sehen auch so aus.

Vor der Kunstkammer, in der der Glitzerschädel punktuell beleuchtet wird und wie eine Christbaumkugel strahlt, stehen Museumswächter, die eine beschränkte Anzahl von Besuchern in die Hirst’sche Wunderkammer einlassen. Der Schädel soll 2007 von einer Investorengruppe für über 6o Millionen Euro angekauft worden sein!

Alte Meister im Dialog mit Damien Hirst

Hirst ist aber auch den klassischen Exponaten des Rijksmuseums verbunden. Er gibt für 16 Werke von Malern des 17. Jahrhunderts aus dem Fundus des Rijksmuseums, die im Raum unmittelbar vor dem Totenkopf-Exponat ausgestellt sind, Kommentare ab. Unter jedem der Bilder steht ein Original-Hirst-Zitat, meist eher philosophisch angehauchte Gedanken denn kunstgeschichtliche Assoziationen eines zeitgenössischen Künstlers in Konfrontation mit Rembrandt oder Vermeer.

Hirst hat sich nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, mit den hochberühmten Malern aus dem Flügel der Alten Meister des Rijksmuseums derart in Verbindung zu treten, für Amsterdam als erste Station der internationalen Tournee seines Diamant-Totenkopfes entschieden. Er stellt sich damit bewusst auf eine Stufe mit den weltberühmten Malern aus den Beständen des Rijksmuseums.

Eine zweite Ausstellung mit zeitgeschichtlichem Touch zeigt die Hermitage Amsterdam, die jeweils für knapp ein halbes Jahr Bestände aus der Original-Hermitage in St. Petersburg präsentiert. Im Moment läuft eine Retrospektive des Romantikers Caspar David Friedrich – sämtlich russische Bestände aus St. Petersburg. Die Idee der Kooperation entstand in den frühen 90er-Jahren, als der Direktor des russischen Museumsgiganten begann, "Satelliten" seiner umfangreichen Sammlung in westliche Museen zu entsenden.

Beziehungen zwischen der russischen und der holländischen Stadt am Wasser bestehen ja seit über 300 Jahren, aus dieser Epoche, dem 17. Jahrhundert stammt übrigens auch der Amstelhof, früher ein Pflegeheim, das nun etappenweise zum modernen, holländischen Ermitage-Museum ausgebaut wird.

Friedrich-Schau inhaltlich auf Top-Niveau

So ist die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung (noch im benachbarten Neerlandia-Gebäude untergebracht, bis Phase zwei der Renovierung des Amstelhofes 2009 abgeschlossen sein wird) – ebenfalls, wie die Hirst-Schau im Rijksmuseum, klein angelegt. Dafür inhaltlich bemerkenswert, sind doch erstmals sämtliche Zeichnungen und Arbeiten des deutschen Romantikers, sowie seiner künstlerischen Vor- und Nachfahren ausgestellt.

Die Aquarelle Carl Fohrs etwa werden überhaupt zum ersten Mal gezeigt, man hat sie im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für die Schau erst entdeckt! Im eigentlichen Caspar-David-Friedrich Raum hängen Werke, die hauptsächlich von Zar Nikolaus I. für die Ausstattung seiner Ostseeresidenz Peterhof angekauft wurden.

Sujets mit grandiosen Naturstimmungen, auf denen Menschen, meist nur von hinten zu sehen, fremd und unbeteiligt auf Berge, Nebel und Wasser schauen. Das Ölbild, das ein junges Paar von einem Segelschiff aus auf eine Stadt am Meer blicken lässt, wurde ebenfalls vom Zaren anlässlich eines Berlinbesuches angekauft. Ob die Stadt am Horizont St. Petersburg darstellt?

Aufzählung Ausstellung

"For the Love of God"

Rijksmuseum Amsterdam Zu sehen bis 15. Dez.

Caspar David Friedrich

Heremitage Amsterdam Zu sehen bis 18. Jan. 2009

Printausgabe vom Mittwoch, 03. Dezember 2008

Kommentar senden:
Name:
 
Mail:
 
Überschrift:
Text (max. 1500 Zeichen):
Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at