Curhaus St. Stephan: Hannes Mlenek/Intim - Monumental
Adams leerer Handy-Akku
Von Claudia Aigner
Schon in der Sixtinischen Kapelle irrte sich Gott im
Körperteil (sozusagen). Statt sich an die Bibel zu halten und seinem Adam
den Odem des Lebens in die Nase zu blasen, näherte er sich aus heiterem
Himmel mit seinem göttlichen Zeigefinger dem Zeigefinger Adams, der sich
ihm aus Neugier oder vor lauter Lebenstrieb erwartungsvoll
entgegenstreckte. Und lud ihn mit dem Wunder des Lebens auf. Lud den
ersten Menschen quasi auf - und das sage ich nur zu jenen, die im
Zeitalter der Telekommunikation eher an das Wunder des drahtlosen
Telefonierens glauben als an das Wunder der Schöpfung: wie einen leeren
Handy-Akku. Bei Hannes Mlenek verirrt sich sogar dieser Finger noch
(allerdings vielmehr der Mittelfinger, der, was seine Gestik betrifft, ja
schon immer bedenklicher war als alle andern Finger). Und ist kurz davor,
eine Fußsohle zu inspirieren, sie nämlich zu kitzeln. Na ja, ganz so
eindeutig ist die Sache nun auch wieder nicht. Hannes Mlenek legt sich
nicht wirklich fest, am wenigsten in punkto Anatomie. Was er da auf die
Fassade vom Curhaus St. Stephan (Stephansplatz 3, bis 15. Jänner) gehängt
hat, in unmittelbare Nähe zum Stephansdom also, dort feiert sein Pinsel
eine anatomische Orgie. Dieses Gewühl aus Körperteilen und
selbstgenügsamen, sprich: ziemlich abstrakten Linien ist so etwas wie ein
Vexierbild der Fleischlichkeit, das der Fantasie des Betrachters fast
völlig ausgeliefert ist. Und - notgedrungen - mitunter sehr eigenwillig
interpretiert wird. Mlenek: "Speziell von den Leuten, die aus der Kirche
kommen." Die spekulieren dann wild drauflos. Mlenek: "Der Daumen is a
Phallus und da is angeblich a Vagina. Also i selbst hab's sicher ned
g'macht." Er braucht sich freilich nicht zu wundern (wenn sich im
kirchlichen Rahmen, wo einem der Körper sowieso suspekt ist, das Es
verselbständigt). Drinnen im Curhaus, in einer imposanten, 15 Meter
langen Wandarbeit ("Es hängt schon mit viel Wahnwitz zusammen, weil - so
was verkauft man ja nicht"), denkt Mlenek dann praktisch die Erschaffung
Adams à la Michelangelo weiter. Adams Finger (zugegeben: wieder der
Mittelfinger) wartet nicht mehr schüchtern auf die göttliche Berührung,
sondern ist unersättlich und lässt sich plötzlich zum Hakelziehen
hinreißen. Ein Denkmal der Gier und Überheblichkeit des Menschen. Gut, das
ist ebenfalls reine Spekulation, die mich vielleicht deshalb überkommt,
weil ich selbst etwas ähnliches daheim habe (im Prinzip). Der letzte Satz,
der gesprochen worden war, bevor eine bedauernswerte Kuh aus einem
Überraschungs-Ei zum "Mahnmal der menschlichen Hybris" wurde und den Kopf
irreparabel verkehrt aufhatte und fortan bloß noch stur gen Himmel schauen
konnte, war nämlich gewesen: "I konn des ohne Bauanleitung!" Obwohl
das Knie neben dem Fingerhakeln schon eine gewisse Ähnlichkeit mit Adams
Knie von der Sixtinischen Decke hat, drängt es sich mir, ehrlich gesagt,
eigentlich nicht im Geringsten auf, dass möglicherweise eine der
einprägsamsten Gesten der Kunstgeschichte als Zitat hinter diesem
"Fingerspiel" steckt. Muss es auch nicht. Mleneks suggestiv zeichnerische
Malerei lebt ja gerade vom Reiz, der zwischen dem Erkennen und dem Raten
liegt. Bzw. zwischen Wissen und Glauben.
Erschienen am: 12.01.2004 |
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