Salzburger Nachrichten am 15. November 2005 - Bereich: Kultur
Von der Arbeit zur Kultur

Linz wurde zur Europäischen Kulturhauptstadt 2009 ernannt. Der Titel bietet die Chance, das da und dort nach wie vor herrschende Image zu korrigieren.

MANFRED PERTERER BRÜSSEL (SN). "Eigentlich geht man überhaupt nicht nach Linz. Linz ist der Arsch der Welt: Chemie, Langeweile, Drogen." Das war noch am Montag vor einer Woche so. Zumindest im deutschen Polit-Magazin "Der Spiegel". Der Journalist Wolfgang Höbel hatte sich darin nämlich rüpelhaft über die Stahlstadt ausgelassen wie der Berliner Brachial-Rapper Bushido, über dessen Schlägerei-Prozess Höbel im "Spiegel" berichtete. Die Entrüstung über die anatomische Zuordnung war in Politik und Gesellschaft an der Donau entsprechend groß.

Eine Woche später gab es an anderer, höherer Stelle Balsam auf die Wunden, die der "Spiegel" dem Selbstverständnis der oberösterreichischen Landesmetropole geschlagen hatte. In Brüssel ernannten die 25 Kulturminister der EU Linz zur Europäischen Kulturhauptstadt 2009. Einstimmig. Bürgermeister Franz Dobusch wusste auch warum: "Wie keine andere österreichische Stadt hat sich Linz in den vergangenen 30 Jahren verändert, von der Stadt der reinen Arbeit zur Stadt der Arbeit und Kultur". Dieser erfolgreiche Transformationsprozess war von einer siebenköpfigen Expertenjury bereits im April dieses Jahres entsprechend gewürdigt worden. Die positive Entscheidung vom Montag basierte auf deren Urteil, auch wenn es die Fachleute lieber gesehen hätten, wenn sich mehrere österreichische Städte um die Austragung beworben hätten. Bekanntlich hatte Salzburg darauf verzichtet.In Zukunft keineEinzelbewerbungen Vor allem aus dem Europäischen Parlament kam daher der dringende Wunsch, dass in Zukunft der Zuerkennung der Auszeichnung "Europäische Kulturhauptstadt" ein nationaler Wettbewerb vorangehen sollte. Eine entsprechende Änderung des Reglements soll noch heuer beschlossen werden. Einen Soloauftritt wie von Linz soll es in Zukunft nicht mehr geben. Der hohen Qualität der Bewerbung der Oberösterreicher tue diese Alleinstellung jedoch keinen Abbruch, sagte ein EU-Diplomat zu den SN.

Als nächstes geht es für Linz darum, das detaillierte Programm für das Jahr 2009 zu erarbeiten. Die Ars Electronica wird dabei eine große Rolle spielen. Die Finanzierung mit 65 Millionen Euro steht. Jeweils 20 Millionen werden Bund, Land Oberösterreich und die Stadt beisteuern, weitere fünf Millionen sollen von Sponsoren kommen. Die aufzutreiben ist eine der Hauptaufgaben des Führungsduos Martin Heller (Intendant) und Walter Putschögl (kaufmännischer Leiter). Von der EU selbst gibt es bescheidene 500.000 Euro. Doch geht es hier weniger ums Geld als um den prestigeträchtigen Titel, den Brüssel in Zukunft jedes Jahr an zwei Städte in Europa verleihen wird. Ansonsten würde die neue Größe der EU dazu führen, dass jedes Mitgliedsland nur alle 25 Jahre an der Reihe wäre. Mit der Doppel-Rotation geht es schneller. Österreich kommt nach Graz 2004 bereits in fünf Jahren neuerlich zum Zug. Dann allerdings erst wieder im Jahr 2021.

Neben Linz kommt im Jahr 2009 auch die litauische Hauptstadt Vilnius, eigentlich eine Partnerstadt von Salzburg, in den Genuss höherer europäischer Kulturweihen. Zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen sind angedacht. Ein Jahr später sind dann Deutschland und Ungarn an der Reihe, 2011 folgen Finnland und Estland mit der Ausrichtung.

Österreichs Kultur-Staatssekretär Franz Morak sprach am Montag in Brüssel von einem "zukunftsweisenden Programm und einem fantastischen Konzept für Österreich". Landeshauptmann Josef Pühringer sagte, Linz eröffne sich die "einmalige Chance, sich als kreative und zukunftsorientierte Kulturregion auch europaweit zu präsentieren".