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03.07.2003 - Ausstellung
Schrebergarten der Lüste
Realismus auf dem Prüfstand: Die Badener Galerie Jünger zeigt Arbeiten von Josef Kern und Franz Simak.
VON JOHANNA HOFLEITNER


F
otos, Realismus. Fotorealismus? Wenn es so einfach wäre. "Ich lehne den Fotorealismus total ab, weil er mir das Vergnügen, das Erringen eines Gegenstandes, einer Situation oder von Menschen vorwegnimmt." Das sagt mit Josef Kern einer, der sich in seiner Malerei seit bald 25 Jahren an der Realität abarbeitet. Einer, der die Auseinandersetzung mit den klassischsten aller Genres - Porträt, Akt, Stillleben - praktisch zum Markenzeichen erhoben hat und nun als Schwerpunkt seiner Ausstellung in Baden Blumenfriese zeigt. Und er scheut sich nicht, seine Bilder so aggressiv an die Wirklichkeit heranzuführen, dass dem Dargestellten jegliche Intimsphäre abhanden zu kommen scheint.

Der gebürtige Steirer zählt zu jener Gruppe österreichischer Maler, die Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre im Zuge des Neue-Malerei-Booms Furore machten und nicht nur die Herzen der Kritiker höher schlagen, sondern auch die Kassen der Kunsthändler klingeln ließen. Doch anders als seinen Kollegen Anzinger, Brandl, Schmalix, ist Josef Kern der internationale Durchbruch versagt geblieben. Galeristin Andrea Jünger erklärt diesen Umstand damit, "dass sich die nicht so realistische Interpretation von Gegenstand und Figur, wie bei Schmalix oder Anzinger, auf dem Kunstmarkt leichter durchsetzen konnte, als das für Josef Kern typische Üppige, Barocke, Ausufernde" - und oft auch Unerbittliche, Harte. Dieses Harte nimmt etwa den neuen Blumenbildern, die hier in langen Bahnen, wie antike Friese, knapp unterhalb der Decke gehängt sind, jeglichen dekorativen Beigeschmack. In diesem Sinn sind Kerns kräftig-färbige Pflanzenmalereien (die Tafeln rangieren preislich zwischen 1500 und 1900 Euro) denn auch keine Stillleben, sondern riesenhafte Vergrößerungen, Zooms, mit dem Fokus auf dem Innersten der Kelche, den Blütenblättern, Samen und Stängeln, was diesen Bildern wiederum in einer zweiten Lesart eine extreme erotische Ausstrahlung verleiht.

Eine überraschende Ergänzung zu den Friesen stellen bisher nie gezeigte, ganz lasierend ausgeführte Bilder (6000 Euro) und großformatige Papierarbeiten (2100 Euro) dar, deren Inspirationsquelle die Tiefe des Unterbewussten ist. Als wären die Szenarien von Boccaccio & Co. vorskizziert worden, tummeln sich hier Maskierte und Behütete, Klagende, Frömmlinge, Dudelsackbläser, Landlords und Eremiten - allesamt Männer, die danach gieren, einander zu begaffen, zu berühren, zu beeindrucken. Ihre offen gezeigte Intimität bringt diese Arbeiten den Traumwelten Pierre Klossowskis nahe, aber nicht zu nahe.

So viel disziplinierter Orgiastik stehen fotografische Werkgruppen des Ernst-Haas-Schülers Fritz Simak gegenüber (550 bis 3300 Euro). Auch bei Simak spielen Körpersprache, Mimik und Gestik (besonders schön die Messerschmidt-Arbeiten!, 650 Euro) eine wichtige Rolle. Als Gegengewicht zu Kerns schwebender Malerei sorgen sie gleichsam für die Erdung des Ausgestellten.

Bis Ende August, Pfarrgasse 1, Baden bei Wien. Voranmeldung unter: 0664/1114771.



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