Salzburger Nachrichten am 20. Oktober 2005 - Bereich: Kultur
Modern wieder aufbauen, aber mit Maßen

Die Ausstellung "Moderat modern" im Wien Museum gibt Auskunft, was Wien und Österreich beim Wiederaufbau bewegte

LASZLO MOLNARWIEN (SN). Das ist eine Ausstellung, hinter der Leidenschaft steckt: Das Wien Museum beschäftigt sich mit der Wiener Architekturgeschichte in den Nachkriegsjahren 1945 bis 1955. Mit der Ausstellung "Moderat modern", in der die Bauten des Architekten Erich Boltenstern im Mittelpunkt stehen, hält Museumsdirektor Wolfgang Kos ein Plädoyer für die Ästhetik der fünfziger Jahre, die in Wien "gewissermaßen unsichtbar" geworden sei. Zu "moderat" und "zurückhaltend" habe man damals gebaut.

Ziel der Ausstellung im Wien Museum am Karlsplatz ist es daher, den Blick auf diese Bauten und ihre Qualität zu lenken und Wertvolles vor weiteren Abrissplänen zu bewahren. Ganz oben auf Kos' Liste steht das Restaurant auf dem Kahlenberg, das nach Plänen Erich Boltensterns 1935 fertig gestellt wurde und damals 4500 Gästen Platz bot.

Vor allem anhand der Architektur Boltensterns - deren prominentestes Beispiel der "Ringturm" ist - zeigt die Ausstellung, wie schwer sich die Barock-, Biedermeier- und Historismus-Stadt Wien mit der Moderne tut. Nach den Verwüstungen des Kriegs stand die Wiederherstellung des Vorkriegszustandes an oberster Stelle. Städteplanerisch zeigte man sich desinteressiert: Es wurden zwar Wettbewerbe zur Neugestaltung zerstörter Areale ausgeschrieben - etwa für den Stephansplatz oder das Gelände längs des Donaukanals -, aber "die Ergebnisse der Wettbewerbe wurden bei der Neubebauung ignoriert". So verweist die Ausstellung auf eine im Lande auch heute nicht unübliche Praxis. Boltenstern fielen so wichtige Aufgaben zu wie der Wiederaufbau des Zuschauerraums der Staatsoper und der Bau des Ringturms für die Wiener Städtische Versicherung.

Boltensterns Karriere - er wurde 1896 in Wien geboren und starb dort 1991 - konzentrierte sich auf Aufgaben in Wien und Österreich. Er war Assistent von Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste und übernahm dort 1936 die Meisterklasse von Peter Behrens. Fast noch mehr als seine Bauten zeigen ihn seine Interieurs und Möbel als Vertreter einer sehr gemäßigten Moderne, die die Nostalgie und Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit nicht aus dem Blick verliert. Die Schau im Wien Museum gibt auch hierüber Auskunft und fördert das Verständnis dafür, was Wien und Österreich beim Wiederaufbau nach dem Krieg bewegte.Bis 29. Jänner 2006, Di bis So 9 bis 18 Uhr, Mi bis 20 Uhr. www.wienmuseum.at.