Zerrissene Künstlerseele
Heimkehr. Große Retrospektive von Herbert Boeckl im Museum Moderner Kunst Kärnten.
MARTIN BEHR KLAGENFURt (SN). Das Werk von Herbert Boeckl (1894–1966) ist heimgekehrt. Die große Retrospektive des in Klagenfurt geborenen Künstlers, im Vorjahr im Unteren Belvedere in Wien zu sehen, füllt nun – um zahlreiche Arbeiten aus der Kunstsammlung des Landes Kärnten ergänzt – die Räume des Museum für Moderne Kunst Kärnten (MMKK).
Von der mystisch-düsteren Naturstudie „Bäume im Nebel“ aus dem Jahr 1914 bis zu religiösen Motiven aus der Nachkriegszeit, die ein Schwinden der Kreativität bezeugen: Die exzellent, weil klar und verständlich gehängte Klagenfurter Schau gibt Einblicke in Leben und Werk eines Malers, der ebenso Neuerer wie auch Opportunist, Suchender und ein Anpassungsfähiger war. In 14 Räumen des Museums ist nachvollziehbar, wie sehr Boeckl versucht war, die Moderne in sein Werk zu integrieren, als geistiger Weggefährte stand ihm unter anderem Paul Cézanne zur Seite, dessen Arbeiten er in Paris und Berlin kennengelernt hat. Unbekanntere Arbeiten Die Retrospektive ermöglicht Begegnungen mit Arbeiten, die nicht so geläufig sind wie die bekannten Gemälde „Lena und der Schwan“, „Donna Gravida“ oder die Beschäftigung mit dem steirischen Erzberg, die wiederum an Cézannes Studien über den Mont Sainte-Victoire erinnern. Da wären etwa frühe Skizzen des Frontsoldaten Herbert Boeckl, der während des Ersten Weltkriegs gemeinsam mit seinem Malerkollegen Anton Kolig an der Italien-Front eingesetzt war. Landschaftsabstraktionen um 1920, die bisweilen asiatisches Flair atmen, auch wenn sie Kärntner Realitäten, wie etwa den Ulrichsberg, als Ausgangsmotiv haben. Nicht zu vergessen frühe Stilleben, die von einem sinnlichen Materialeinsatz zeugen, oder Farbfeste wie etwa das Bild „Ossiacher See am Morgen“ aus dem Jahr 1945.
Mehr als 150 Arbeiten, Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen und Plastik, vermitteln das vielfältige Reagieren des Künstlers auf Zeitströmungen. Es ist ein Reagieren mit unterschiedlichem Erfolg: Boeckls Adaptionen der Linienkunst der Wiener Secession, sein expressives, mit Pinsel und Spachtel unternommenes Abstrahieren oder sein drastischer Realismus – leider fehlt im MMKK Boeckls zentrales Werk „Die Anatomie“ – gehören zu den Fixpunkten der heimischen Kunstgeschichte.
Anderes, wie etwa seine Reisebilder, seine neokubistischen Versuche oder etliche Sakralwerke des Katholiken Boeckl erreichen nicht dieses Niveau. Was Moderne sein will, ist in Wahrheit kreuzbrave Auftragskunst ohne Ecken, Kanten und Relevanz. So verdichtet der Gang durch die von den Boeckl-Enkelkindern Agnes Husslein-Arco und Matthias Boeckl kuratierte Schau auch den Eindruck einer zwischen Begabung und Zwängen, zwischen Innovation und Konvention hin- und hergerissenen österreichischen Künstlerseele. Eine, die mit mehr Radikalität und Kompromisslosigkeit mehr Höhepunkte hätte schaffen können. (Bis 16.Mai)