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Quer durch Galerien

Ein Kirschkern in der Geisterbahn

Schwarz und Blau, vereint in Dennis Oppenheims

Schwarz und Blau, vereint in Dennis Oppenheims "Heavy Dog Kiss". Etwaige farbliche Ähnlichkeiten mit österreichischen Verhältnissen sind unbeabsichtigt und rein zufällig. Galerie Mauroner

Von Claudia Aigner

Wüste, heiß. Vielleicht das Death Valley. Und mitten drin in der schwitzenden, durstigen Szene fällt plötzlich ein Kaktus in Ohnmacht. Weil ihm schwindlig geworden ist, nachdem er die Empfehlungen für den Aufenthalt in Sonnenstichgebieten ignoriert hat: "Tragen Sie an heißen Tagen einen Sonnenhut und trinken Sie mindestens drei Liter Wasser." Dieses faszinierende Naturschauspiel (der Kaktuskollaps durch Sonnenstich) ist dermaßen selten, dass es noch nie beobachtet worden ist.

Aber wie soll man sich verhalten, wenn man doch einmal einem Kaktus mit Sonnenstich- oder Hitzschlagsymptomen begegnet? Dann sollte man dem betroffenen Kaktus (besonders wenn er vorher auf einem Pferd geritten ist oder sich auch noch übergeben hat, bevor er aus dem Sattel gekippt ist) unbedingt Luft zufächeln und ihn in die stabile Seitenlage bringen. Denn dann war’s wahrscheinlich eine Verwechslung und kein Kaktus.

Eventuell ein Kaktus-Doppelgänger. Irgend so ein Akupunkturfundamentalist womöglich oder ein Akupunkturnadelvertreter oder einer, der mit diesen Nadeln einen Ausdauer- und Belastungstest macht. Und alle drei müssen halt, um ihren Ruf zu wahren, überall in voller Akupunktur-Montur auftauchen.

Galerie Mario Mauroner: Bügeln ohne Reue

Einen echten Kaktus kann das bissl Wüstenhitze ja nicht so leicht niederbügeln, bis er bewusstlos daniederliegt wie ein Hemd auf dem Bügelbrett. Ist Dennis Oppenheim (bis 20. Juli in einer retrospektiven Schau bei Mario Mauroner, Weihburggasse 26) jetzt aber ein Kakteen tröster oder ein Kakteen sadist ?

Sind die Bügeleisen, die er mit der heißen Fläche, ergo mit dem Bügelfieber nach oben an der Wand montiert und auf die er Kakteen gestellt hat, nun barmherzig gemeinte Wüstensimulatoren, also Heimatillusionen (wobei freilich die Blumentöpfe quasi zu Kochtöpfen werden), oder verabreicht da einer seinen grünen, stacheligen Schutzbefohlenen gerade genüsslich eine Überdosis Hitze?

(Hinweis für Menschen: Achtung: Im Solarium vorgebräunte Haut verringert höchstens das Risiko, einen Sonnenbrand zu kriegen. Gegen Verbrennungen durch unsachgemäßes Hantieren mit dem Bügeleisen ist man dagegen nicht geschützt. Und selbst nahtlos braune FKKler, die obendrein viele, viele Tomaten essen, die ja wie eine innere Sonnenschutzcreme wirken sollen, setzen sich nicht ungestraft auf eine heiße Herdplatte.)

Weil ein Buch einen extrem hohen Lichtschutzfaktor hat

Seit seiner Body-Art-Zeit (und ihrer gedenkt die Galerie heute von 18 bis 22 Uhr mit einer Filmvorführung) hat der Oppenheim ja selber Erfahrung mit Verbrennungen, konkret: mit der Röte ersten Grades. Ich meine die solarbetriebene Verbrennung namens Sonnenbrand, die er in Überschätzung seines Leidens für eine Röte zweiten Grades ausgegeben hat. 1970 ließ er sich fünf Stunden lang von der Sonne belichten (na ja: vielleicht doch zweiten Grades), während er den Nachweis erbrachte, dass ein Buch ein extrem guter Sunblocker ist und zumindest dort wirkt, wo man es sich auflegt. Zum Beispiel auf der Brust.

Aber das können doch nur die Stringtangas!

Gut, dieses Verhütungsmittel gegen Sonnenbrand, das Buch, wird von der Haut nicht absorbiert. Aber das wird ein Bikini ja auch nicht, der den UV-Strahlen ebenfalls die schadenfrohe Zunge herausstreckt wie Nivea (sozusagen). Nur Stringtangas ziehen restlos in den Hintern ein.

Dem Körper blieb Oppenheim auch in seinen bös surrealen oder skurril manieristischen und meist bekömmlich verspielten Objekten irgendwie treu, die nicht unbedingt immer Wert auf die Perfektion in der Ausführung legen, aber dafür von der frischen Aura der unbekümmert realisierten Eingebung umdampft sind.

Seine Modelleisenbahn (derzeit außer Betrieb, sprich: "impotent", weil sie von einem inkompatiblen Stromnetz lahmgelegt worden ist) fährt durch anatomisch geformte Tunelle, fährt durch die Körperöffnungen wie ein Internist, fährt durch das A & O des Menschen, den Anfang und das Ende seines Verdauungstrakts und durch die Pforte der Fortpflanzung, nimmt den Lieferanteneingang (den Mund) oder fährt gegen die Einbahn, wie es sonst die Enteroskope tun oder die Einläufe, die allesamt Geisterfahrer sind. Die Lok ist ein bisschen wie der Kirschkern, der als Einziger die Verdauung unbehelligt wieder verlassen darf. (Natürlich ist die Lok eigentlich eine Metapher für die unermüdliche Männlichkeit.)

Wie sieht das perfekte Aquarium für Urologen aus?

Der "Piss Lake" (Pinkelsee), der aussieht wie eine kühne Urologenfantasie (Häuser mit trinkbereit ausgefahrenen Zungen umringen ein Becken voll gelblicher Flüssigkeit), ist aber nicht wirklich mit harnpflichtigen Substanzen abgefüllt, obwohl doch die Vernissagebesucher ihren ganzen Willen zum Harn zusammennehmen hätten können. Es ist übrigens ein Mythos, dass das Aquariumswasser eines Urologen immer so einen verdächtigen Gelbstich hat und dass so ein professioneller Urin-Befürworter aber wenigstens bernsteingelb getönte Scheiben haben muss, um sich von einem Aquarium angesprochen zu fühlen.

Und die Hirschtrophäe, aus deren Geweih dort hoch oben an der Wand Flammen schlagen? Am ehesten ein domestizierter Waldbrand zur romantischen Raumbeleuchtung. Und stünde eine Leiter daneben, dann wär’s auch ein Zigarettenanzünder. Oppenheims prägnanter Einfallsreichtum ist ziemlich anregend.

Nur zur Klarstellung: Der "Heavy Dog Kiss", wo ein blaues Männergesicht mit den Lippen auf einer schwarzen Hundeschnauze balanciert, ist kein Kommentar zu österreichischen Liebesbezeigungen. Außerdem wär’ das eh nicht mehr aktuell. Wegen der märchenhaften Metamorphose, die inzwischen stattgefunden hat. Wenn ein Frosch eine Prinzessin busselt, bleibt die Prinzessin eine Prinzessin. Wenn ein Schwarzer einen Blauen küsst, verwandelt sich der Blaue, der offenbar eine verwunschene Zitrusfrucht ist, ja in eine Orange.

Galerie Ulrike Hrobsky: Turnen mit dem Hammer

Sie ist so etwas wie die österreichische Meisterin im Eisenverdreschen. Die auf komplexe Art "schlichten" Schmiedearbeiten von Gabriele Kutschera sind ja wirklich staunenswert. Energisch elegante Schwünge, dekorative Verflechtungen, beste "Haltungsnoten". Absolute Metallbeherrschung. Und überall der liebend disziplinierende Hammer, der irgendwo zwischen mathematisch berechnender Dressur und jener Freiheit herumwerkt, die sich die Pflanzen beim Wachsen und die Menschen beim Herumkritzeln herausnehmen.

Der "Wappler": eine riesige Spirale, die, wenn man sie anrempelt, wie eine fette Raupe auf dem Boden schwabbelt. Bis 16. Juli bei Hrobsky (Grünangergasse 6). Wahrscheinlich könnte die Kutschera sogar aus einer glühenden Herdplatte eine anatomisch korrekte Rose hämmern.

Freitag, 01. Juli 2005

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