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06.11.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Fotos schießen im Krieg
"Brutale Neugier": Walter Henischs Kriegsfotografien, hinterfragt von seinem Sohn Peter, im Wien Museum Karlsplatz.

D
ie Ähren wogen. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken. Ein unheimliches Licht ist es, das da pathetisch wie ein Heiligenschein um einen Panzer glüht. Auf dem Panzer sitzt ein Soldat der Deutschen Wehrmacht. Ein Propaganda-Bild aus dem Zweiten Weltkrieg, geschossen von Walter Henisch in der Sowjetunion 1941.

Walter Henisch war im Zweiten Weltkrieg Fotograf der Propaganda-Kompanie, Kriegsberichterstatter der Deutschen Wehrmacht. Seine Bilder werden derzeit im Wien Museum Karlsplatz gezeigt. Die Radfahrerschwadron im besetzten Frankreich: uniformierte, bewaffnete Männer auf einem idyllisch verschneiten Waldweg. Oder der Angriff auf einen sowjetischen Waffentransport: Rauchschwaden über dem brennenden Zug, rennende Soldaten. Daneben schimmert durch die transparente Wand: "Eine richtiggehende Dokumentationsmanie zwingt dich, auch solche alles andere als schönen Augenblicke festzuhalten." Worte, die Walter Henisch seinem Sohn Peter gesagt und die dieser im Roman "Die kleine Figur meines Vaters" (1975) verewigt hat.

Ein Buch, das die ambivalente Vergangenheit des Vaters hinterfragen will. Zitate daraus untermalen die Propagandafotos des Vaters. Propaganda, wie entsteht sie? Wie viel Individualität steckt noch in der Maschinerie? Henischs Bilder kamen ins Propagandaministerium, dort wurden sie neu zusammengestellt und "gewürzt": "Ich hab oft gestaunt, was man auf diese Weise aus meinen Bildern gemacht hat. Aber im Grunde genommen hat mich das überhaupt nicht mehr interessiert", sagt Henisch. So betont er im Gespräch mit dem Sohn auch seine Distanz zum Geschehen: "Auch wenn ich mittendrin war, habe ich mich zu einem gewissen Grad immer außerhalb der Geschehnisse gefühlt". Eine Rechtfertigung?

Viele Bilder stammen aus neu entdeckten privaten Alben, tragen Notizen wie diese: "Und während in Wien ein kleines Engerl erwartet wurde, erfüllte ich an russischen Fronten meine Soldatenpflicht." Die Grenzen zwischen privater und offizieller Aufnahme verschwimmen oft: Zum Beispiel bei der Zigarettenpause im Schützengraben. Daneben ganz privat: "Unsere Ferntrauung". Links unterschreibt Henischs Frau die Urkunde in Wien, rechts er - in Smolensk.

Nach dem Krieg fotografierte Henisch für die "Arbeiterzeitung". Das Abenteuer fand er nach eigenen Aussagen in Veranstaltungen der Kinderfreunde wieder, die er dokumentierte. Ein starker Kontrast zum "Fotos schießen" im Krieg.

bis 6. Jänner. Öffnungszeiten: Di bis So 9-18 Uhr; Eintritt frei.

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