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Galerie Lindner, ÖBV: Heinz Gappmayr

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Poetischer Finanzminister?

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Ist ein zerknülltes Quadrat immer noch ein Quadrat? Ein angebissener Apfel ist ja auch nicht mehr wirklich ein Apfel, sondern ein Apfel, von dem, mathematisch betrachtet, ein Bissen subtrahiert wurde. Und wen interessiert das? Heinz Gappmayr, mich, Peter Lindner (sonst würde er Gappmayrs konzeptionelle Fotografien nicht bis 24. November in seiner Galerie, Schmalzhofgasse 13, ausstellen) und hoffentlich noch ein paar andere Leute.
Indem Heinz Gappmayr, der unlängst 75 wurde, ein an sich perfektes Quadrat fotografiert, das sich freilich auf einem zerknitterten Blatt Papier befindet, hat er auf seine hintergründig simple Art die unterschiedliche Auffassungsgabe von Auge und Hirn eingefangen. Für Ersteres ist das Quadrat völlig "unquadratisch", während Letzteres das zerknüllte Quadrat längst im Geiste gebügelt hat. Und wenn er sich draußen hinstellt und mit seinem Fotoapparat einfach viermal in den Himmel schießt, zeigt er damit unmissverständlich, dass die Himmelsrichtungen zwar wetterfest, aber trotzdem subjektiv sind. Kurz: So hat "Osten" von dort aus ausgesehen, wo Gappmayr im Jahre 1979 am frühen Nachmittag ("ich glaub, wenn mi ned alles täuscht, im Frühsommer") gestanden hat. Gappmayr verwickelt den Betrachter in philosophische Gedankengänge, die den meisten wahrscheinlich "schnurzpiepegalwurscht" sind. Wer seinen Arbeiten aber eine Chance gibt, wird erkennen, dass sie die sichtbare und die sprachliche Welt in einer unvergleichlich "poetisch nüchternen" Weise untersuchen und auf ihre lapidare Art schöngeistig sind.
Seine bekanntere Seite (die sprachliche) ist noch bis 27. November in der Österreichischen Beamtenversicherung (Grillparzerstraße 14) zu sehen. Da begegnet einem das auf die Wand gepickte Wort "glänzt". Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Schließlich erzeugt es eine so starke Vorstellung von Glanz im Gehirn, dass sich möglicherweise ein eitler Mensch instinktiv die Nase pudert. Blöd wär's, wenn etwa die Wand tatsächlich glänzen würde. Gappmayr: "Das wär schlecht. Dann wär's banal." Gappmayr bietet auch so etwas wie ein Rechtschreib-Sparpaket an: "Ggnstnd". Wie viele Schulbuchseiten könnte man sich sparen, wenn man einfach nur die Vokale aus dem Deutschen rauswerfen würde (und vielleicht könnte man auch die allgemeine Schulpflicht verkürzen)! Aber vermutlich hat sich Gappmayr etwas ganz anderes dabei gedacht, als er "Ggnstnd" auf eine Leinwand pinselte.
Ebenfalls auf einer weißen Leinwand: "zirka 100." "100" wäre prosaisch gewesen, "zirka 100" ist poetisch. Was aber nicht den Schluss zulässt: Wenn ein Finanzminister ein Budgetdefizit von zirka 100 Mrd. Schilling zugibt, während es sich vielleicht in Wirklichkeit auf 101 Mrd. Schilling und 90 Groschen beläuft, dann ist das ein "poetischer Finanzminister".

Erschienen am: 14.11.2000

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