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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
15. Juni 2006
20:38 MESZ
Von
Markus Mittringer

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kunsthausgraz.at

Bis 3. September  
Kunsthaus Graz: Der Sammler als Kollaborateur
Entwicklung der Avantgarde der 60er- und 70er-Jahre: Präsentation der belgischen Sammlung Herbert

Im Rahmen der Präsentation der belgischen Sammlung Herbert im Kunsthaus Graz lässt sich annähernd lückenlos die Entwicklung der Avantgarde der 60er- und 70er-Jahre nachvollziehen.


Graz - Welchen Sinn sollte es machen, mittels geschickter Anlage abstrakt-expressionistischer Bilder das Erhabene gegen die Wucht der Werbung ins vorweg verlorene Gefecht zu schicken? Die Magie selbstbezüglicher Bilder, erkannte etwa John Baldessari, würde nicht ausreichen, die ertragsorientierte Suggestionsflut zu brechen. Und also eignete er sich zum einen die bildgebenden Verfahren an, die das wirkliche Leben lenkten, zum anderen begann er sich mit Ironie zu rüsten.

Baldessari begann Malerei mit Fotografie und Bilder mit Schrift zu verknüpfen - nicht, um Dritten dadurch aufzulauern, nicht um Fallstricke zu spannen. Eher schon, um Landkarten anzulegen, in denen all die Fallen und Hinterhalte verzeichnet sind, ohne die Kontrolle, ohne die die Mehrung von Kapital nun einmal nicht zu erreichen ist.

Baldessari erklärte die anonymen Fotografien, die Werbeplakate, die Filme der Traumfabrik zu seinem Material. Und fing an, mit oft nur minimalen Eingriffen die Wirkung der Bilder zu verkehren, deren gründende Absichten nach außen zu stülpen, die Codes zu dechiffrieren.

John Baldessari markierte "A Different Kind of Order", setzte das "Nachdenken" ins Zentrum seiner Kunst, die Reflexion an die Stelle der oft genug unfreiwilligen Neuerfindung aus der Stille des Elfenbeinturms. Zeitgleich mit Baldessari begann Lawrence Weiner damit, Skulptur zu "denken", 1967 lagerte Gerhard Richter 4 Glasscheiben drehbar in Metallrahmen: Um uns "alles sehen", "aber nicht begreifen" zu lassen - vier Projektionsflächen waren das, und damit ein Ball zurück, eine Aufforderung zur produktiven Eigenverantwortung des Betrachters, ein Versuch des Künstlers, sich selbst jedes Kommentars zu enthalten.

Carl Andre legte 1969 64 Lead Square aus, Robert Barry signierte It is . . . it isn't. . ., Marcel Broodthaers genügte eine kleine Korrektur, um die Welt mittels einer carte du monde poétique (anders) anschaulich zu machen. Daniel Buren kam auf seine Streifen, Richard Long viel in der Landschaft herum. Michelangelo Pistoletto und Luciano Fabro, Giulio Paolini oder Giovanni Anselmo begannen mit Wertlosem die Geschichte der Arte Povera zu schreiben.

Belgisches Paar

Von diesen aufgeregten Tagen in den späten 60er-Jahren war ein belgisches Paar - Anton und Annik Herbert - angetan. Es begann Kunst zu sammeln - nicht rabiat mit der Kreditkarte. Vielmehr ging es ihnen darum, Teil dieser Entwürfe einer Gegenwelt zu sein, Partner - was Gespräche wie persönliche Kontakte mit Künstlern bedingt, deren Galeristen (die, wie etwa der Düsseldorfer Konrad Fischer, noch keine ausgebildeten Dealer, sondern bisweilen selbst Künstler waren) und den Museumsleuten.

Herberts wurden zu Kollaborateuren, kommentierten, zettelten an; Herberts waren stets an den Akteuren interessiert, wollten wissen, was die Person ausmacht, die Sachverhalte mit einem minimalen Eingriff umdeutet, die gemeine Dinge zu einem allgemein betreffenden Ausgangspunkt konzentriert. So entstand eine der zentralen Sammlungen, eine jener seltenen Kollektionen, die Kunst der 60er- und 70er-Jahre nicht nur repräsentativ vorführen kann, sondern die Arbeiten über mehrere Generation bis hin zu Kippenberger und West oder miteinander vernetzt hat. Für die Präsentation im bekannt schwierigen Kunsthaus Graz wurde Heimo Zobernig eingeladen, "ein" System zu entwickeln. Ergebnis: die bisher beste Präsentation über die beiden Ebenen im Bauch des Aliens.

Zobernig hat Räume entrümpelt und gleichzeitig mit abgebrauchten und fragmentierten Stellwänden Bildträger geschaffen, die den puristischen Anspruch Arbeiten unterstreichen und sich als "tauglich" für diverse Medien erweisen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2006)


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