Fotografieren ohne Kamera
GUDRUN WEINZIERL Salzburg, Baden (SN). Foto- und Chemiegramme sind Fotografie, die ohne Kamera entsteht. Beispiele dieses experimentellen Genres zeigt der 1942 in Wien geborene, in Salzburg lebende Fotokünstler Werner Schnelle in Ausstellungen im Museum der Moderne Salzburg und in der Galerie Jünger in Baden.
Objekte wie Entwicklerspulen, Filme, aber auch Farne und Blätter hat Werner Schnelle auf Fotopapier gelegt und durchleuchtet. Aus dem Zusammenwirken von Chemie und Licht sind so seine Fotogramme entstanden. Sie lassen an Schwarz-Weiß-Malerei denken, haben aber auch Ähnlichkeit mit Fotokopien. Anders entstandene Arbeiten, die Chemiegramme, wirken wie gestische, abstrakte Malerei: Sie sind chemische Reaktionen auf belichtetem Fotopapier, in denen der Fotograf mittels Pinselstrichen oder Schüttbewegungen auch zum Maler wird. Beides ist ein Teilbereich generativer Fotografie und entsteht ohne den Einsatz einer Kamera, jedes Blatt ist ein Unikat.
Wieder einen anderen seiner Arbeitsbereiche aus der abstrakten oder konkreten Fotografie nennt Schnelle Light work. In ihnen werden Lichtbewegungen innerhalb eines völlig abgedunkelten Raums von einer Großbildkamera über eine längere Belichtungszeit festgehalten und so sichtbar gemacht. Schnelle hat sich dabei, eine Punktlichtquelle haltend, im Raum bewegt, oder er hat diese Lichtquelle an eine Bohrmaschine montiert und den Bohrer rotieren lassen – so entstanden gleichmäßig kreisförmige Bewegungen oder auch ein wirres Zickzack und Kreiseln von Lichtlinien.
„Ich will den Faktor Zeit mit einfließen lassen, weil mit der Fotografie hier etwas produziert wird, das es im Grunde genommen nicht gibt, das Bild setzt sich aus dem Kontinuum der Zeit erst langsam zusammen und wird auf dem Negativ aufgezeichnet“, formuliert Schnelle im SN-Gespräch. Er geht mit diesen Techniken auf die Ursprünge der Fotografie zurück, gearbeitet wird ausschließlich analog, jede Fotografie ist der Kontaktabzug eines großen Negativs, nichts wird vergrößert. „Die der Fotografie immanenten Eigenschaften, was die chemischen Reaktionen von Belichtung, Entwicklung und Fixierung ,erzählen‘, war für mich immer besonders interessant. Es ist ausgeklügelt was man sich im Konzept überlegt und dennoch bleibt immer die Experimentalität dabei, die Überraschung“, sagt Schnelle.
Er ist, seitdem er in den 1980er-Jahren mit künstlerischen Arbeiten begann, nicht im Außenbereich tätig, sondern innerhalb der Studiofotografie. Fotografierte Dinge, aber auch die Landschaft oder der porträtierte Mensch, wirken anders, als sie unmittelbar zu sehen. Schnelles Arbeiten wirken wie das perfekte Ergebnis langwieriger technischer Versuche und Adaptierungen. „Fotokonzepte“ (Museum der Moderne Salzburg bis 14. Februar); „Aus der Dunkelkammer“ (Galerie Jünger Baden, bis 7. Februar 2010).