Artikel von profil.at:
Merkwürdige Gesellschaft

Outsourcing" nennt sich eine gängige Wirtschaftspraxis, derzufolge Teile eines Unternehmens ausgelagert werden, um anderswo kostengünstiger betrieben zu werden. Im aktuellen Fall der Artothek im österreichischen Bundeskanzleramt erhält man allerdings den Eindruck, dass dort Outsourcing auch noch etwas anderes bedeutet, nämlich die Auslagerung von Problemen. Franz Morak, Staatssekretär für Kunst und Experte für kreatives Wirtschaften ("Die organisierte Kreativität", so der Titel einer Publikation des Politikers), hat nach einer Kritik des Rechnungshofes an der Führung der bundeseigenen Kunstsammlung deren Verwaltung ausgegliedert und einem Verein übertragen. Dass Morak damit bereits alle die Artothek betreffenden Probleme losgeworden wäre, kann man im Moment allerdings nicht behaupten.

Die Artothek (siehe Kasten) umfasst ungefähr 28.000 Objekte, die größtenteils an Bundesdienststellen, vorwiegend Beamtenstuben oder Schulen, ausgeliehen sind und dort die Wände schmücken; oder sie ergänzen die Sammlungsbestände des Museums Moderner Kunst (MUMOK) oder der Österreichischen Galerie als Dauerleihgaben. Das Problem dabei: Da bereits seit 1948 gesammelt und ausgeliehen wird, können sich Kunstwerke bereits seit sehr langer Zeit in irgendeiner Amtsstube "verstecken". So äußerte der Rechnungshof mehrmals, zuletzt im Jahr 2000, Kritik an der Inventarisierung und Verleihtätigkeit der Artothek und forderte ein zeitgemäßes Aufarbeitungssystem. Aber auch die Bereitstellung von adäquaten Räumlichkeiten zur Lagerung der Kunstwerke macht Sorgen, da die Artothek seit 1982 im Wiener Palais Liechtenstein für rund 58.140 Euro (800.000 Schilling) Miete pro Jahr untergebracht ist.

Auf diese prekäre Situation versucht Staatssekretär Morak zu reagieren. Sein Ansatz: Ausgliederung der Verwaltung, sprich: der Digitalisierung der Bestände sowie der gesamten Verleihtätigkeit der Artothek. Diese Tätigkeiten sollten vom Bundeskanzleramt (BKA) bezahlt werden - am besten natürlich billiger als bisher (109.000 Euro, umgerechnet 1,5 Millionen Schilling, pro Jahr). Morak suchte also einen Interessenten.

Ungereimt

Nun aber sind im Verlauf der letzten Wochen einige Ungereimtheiten in Moraks Outsourcing aufgetaucht:
  • Das "Verhandlungsverfahren" (die Ausschreibung), mit dem die Interessentensuche gestartet wurde, ging an zehn österreichische Museen. Warum, so die Frage jetzt, wurde bei einem Auftrag dieser Größenordnung (es geht um 720.000 Euro, umgerechnet zehn Millionen Schilling, für fünf Jahre) nicht breiter ausgeschrieben?

  • Nachdem die Museen laut Morak allesamt Desinteresse signalisiert hatten, lag ein Angebot einer Theaterservice GmbH vor, die die Verwaltung der Artothek um 159.900 Euro (2,2 Millionen Schilling) jährlich übernommen hätte.

  • Da es nur dieses eine Angebot gab, wurde die Ausschreibungsfrist verlängert, und man beschloss im BKA, einen Verein, die "Gesellschaft zur Förderung der Digitalisierung des Kulturgutes", direkt anzufragen.

  • Dieser Verein hat zwei Schönheitsfehler: Zum einen bestand er formell zum Zeitpunkt des Ausschreibungsverfahrens noch gar nicht - konstituierend gegründet wurde er erst am 9. September 2001. Zum anderen ist dessen Geschäftsführer der Steuerberater Christian Pultar, der wiederum seit dem Regierungswechsel als Franz Moraks Berater tätig ist.


"Synergien"

Weder das BKA noch Christian Pultar können die offenen Fragen zufrieden stellend beantworten. Pultar meint gegenüber profil: "Es war bekannt, dass wir etwas in der Richtung tun wollen." Laut BKA wiederum soll "bekannt" gewesen sein, dass Pultars Verein um Fördergelder beim EU-Projekt "Equal" (einem Anti-Diskriminierungs-Programm des Europäischen Sozialfonds zur Bekämpfung von Ungleichheiten im Arbeitsleben) angesucht hat. Die "Equal"-Gelder sollten aber nicht für die Arbeiten im Rahmen der Artothek Verwendung finden, denn "Bestbieter" (Morak) für die Artothek-Tätigkeit konnte die Gesellschaft nur sein, wenn sie auf "Synergien" mit dem "Equal"-Projekt verweisen konnte. Es drängt sich die Frage auf: Wurde die "Gesellschaft zur Förderung der Digitalisierung des Kulturgutes" mit Wissen des BKA vor allem deswegen gegründet, um an die Aufträge des Bundes und an europäische Fördergelder heranzukommen?

"Es gibt so viele Merkwürdigkeiten um diese Geschichte", meint Karl Öllinger, Abgeordneter der Grünen im Parlament. Merkwürdigkeiten, die Öllinger am Freitag vergangener Woche in einer parlamentarischen Anfrage einbrachte. So zweifelt der Grün-Politiker an der Rechtmäßigkeit der Vergabe des Auftrags und wirft dem Staatssekretär "Begünstigung" eines ihm nahe stehenden Beraters vor. Und schließlich stellt er die bewusst zugespitzte Frage, ob "Staatssekretär Morak noch andere mysteriöse Kontakte zu Vereinen hat, die zwar ihm bekannt, aber noch nicht gegründet sind".

Studienabbrecher

Christian Pultar zumindest, der Geschäftsführer der "Gesellschaft zur Förderung der Digitalisierung des Kulturguts", hat sich nun gegenüber profil über die Pläne des Vereins geäußert - die Projekte also, für die er sich EU-Gelder aus dem Anti-Diskriminierungs-Programm "Equal" erhofft: "Lehrgänge für arbeitslose Kunstuni-Absolventen bzw. Studienabbrecher" will er organisieren. Denn es gebe, gibt Pultar ernsthaft zu bedenken, "allein in Wien 81 arbeitslose Kunsthistoriker", und "die meisten sind nicht gemeldet, weil sie als Schallplattenverkäufer, Taxifahrer oder Bibliothekare unterwegs sind". Diesen unterbeschäftigten, überqualifizierten Fachkräften will Pultar mit seiner Gesellschaft zum Beispiel digitales Fotografieren beibringen oder die korrekte Aufbereitung des Bildmaterials für einen Internet-Auftritt - mit einem Wort: "Qualifizierungsmaßnahmen".

Obmann der Gesellschaft ist übrigens Gerd Zechner, ein pensionierter Arzt und Uni-Professor. Laut Angaben seiner Ehefrau (der Professor selbst weilt im Skiurlaub) spielt er im Verein "keine tragende Rolle", nach Pultar-Äußerungen hingegen wird Zechner "von der Zeit her das Wesentlichste investieren".

Staatssekretär Morak verweigert gegenüber profil eine persönliche Stellungnahme. Stattdessen lässt er über seine Pressesprecherin vermelden, dass "der Vorwurf der Begünstigung insofern zurückzuweisen" sei, weil der Verein in einem "üblichen Verhandlungsverfahren als Bestbieter hervorgegangen" sei. Wie "üblich" dieses Verfahren war, wird sich in den kommenden Wochen weisen.


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