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‹Die Gedanken wollen frei
sein. Lassen Sie sie raus. Und mit anderen Gedanken spielen›, wirbt das
Unternehmen Siemens für seine Präsentation auf der Weltausstellung.
Die Selbstlosigkeit des Engagements des bekanntlich auch als
‹Kulturprogramm-Anbieter› auftretenden Konzerns und ‹World Partners› der
EXPO 2000 wurde in der von Roger M. Buergel für das Österreichische
EXPO-Kunstprogramm kuratierten Ausstellung ‹Gouvernementalität› arg in
Frage gestellt. Dort nämlich war das Bild ‹Questionnaire an H. von Pierer›
von Dierk Schmidt zu sehen, eben das Bild, das 1998 aus der von Siemens
mitveranstalteten Show ‹Brushholder value› ausgeschlossen wurde. Anstoss
des damaligen Skandals waren in einer scheinbar sentimentalen
Landschaftsszene integrierte Fragen und Statements, die auch das
EXPO-Motto ‹Mensch Natur Technik› beleuchteten, beispielsweise: ‹Herr von
Siemens, Sie haben in Slowenien den schon in der Basistechnik unsicheren
Reaktor mit Sicherheitstechnik ausgestattet. 100 km entfernt von Wien.
Gleichzeitig versuchen Sie sich mit Kultursponsoring gerade in Österreich
einzuschmeicheln. Vor einer Woche wurde der Reaktor angefahren›. Auch mit
anderen Arbeiten, unter anderen von Allan Sekula, Martha Rosler und
Octavian Trauttmansdorff gelingt es ‹Gouvernementalität› einen kritischen
Spannungsbogen aufzubauen, der die Sprengung des Weltwirtschaftsgipfels in
Seattle am Ende des Jahres 1999, die schwarz-blaue Regierung in Österreich
und die EXPO 2000 in eine problematische Dreieinigkeit stellt. Peter
Friedls Neonschrift ‹Neue Strassenverkehrsordnung› schliesslich zitiert
einerseits den Titel eines Buches des ehemaligen ‹RAF-Anwaltes› Horst
Mahler, erinnert andererseits so auch daran, dass Ulrike Meinhoff damals
in Hannover gefangen genommen wurde. Ist es Zufall, dass diese Ausstellung
ausserhalb des EXPO-Geländes gezeigt wird? Zivilcourage jedenfalls hat
Hans Knoll, der österreichische Kulturbeauftragte für die EXPO, mit seinem
Einsatz für diese Ausstellung sicherlich bewiesen!
In die Höhle
des Löwens hat sich die Show ‹In Between› gewagt, denn diese Präsentation
von 13 internationalen Kunstprojekten von Mauricio Cattelan, Franz West,
Carsten Höller/Rosmarie Trockel bis zu Roman Signer findet mitten auf dem
EXPO-Gelände statt. Gut getan hat es der Open-Air-Ausstellung kaum. Nicht
dass die einzelnen Arbeiten wie Tobias Rehbergers künstlich beschneiter
‹japanischer Garten› nicht zu überzeugen wüssten, das Problem ist
vielmehr, dass die Kuratoren Kasper König und Wilfried Dickhoff auf
jedwede explizit politische Arbeit verzichtet haben – und dies bei
besagtem EXPO-Motto!
So können die Gedanken eben nur im Sinne von
Siemens frei sein: statt widerspenstig zu agieren, gibt sich die Kunst
hier poetisch, verspielt und witzig – wie etwa das viel zu kleine,
halb in die Erde versenkte Riesenrad von Gabriel Orozco. Und doch setzten
die Arbeiten sich auch als besser gemeinte Unterhaltung nicht durch: Paul
McCarthys ‹kackbrauner›, aufgeblasener, 25 Meter hoher Pinocchio mit
eingebautem Schokoladenautomat etwa wurde von dem täglich erscheinenden
EXPO-Journal bereits zu den ‹Flops› der EXPO gekürt. So bleibt das Projekt
tatsächlich ‹In Between›, ist weder kritischer Diskurs noch unterhaltendes
Event.
Der Kunstverein Hannover zeigt zur EXPO 2000 Gerhard Merz,
den (selbst)ernannten ‹Vollender der Moderne›. Ein streng geometrischer
Pavillon im grellen Licht wird pointiert in einem ausgedienten
Güterbahnhof präsentiert. So puristisch und formal schlüssig sich die
Arbeit auch gibt, so wenig knüpft sie mit ihrem ideologisch gefährlichen
Dogma des ‹reinen Geistes› an einen aktuellen Diskurs um Verortung an, der
eben längst auch die Virtualität und Mobilität von Raum sowie dessen
emotionale Qualitäten mitbedenkt.
Im hannoverschen Sprengel Museum
war die Fotoausstellung ‹How you look at it› zu sehen. Die von Thomas
Weski zusammengestellte Auswahl von künstlerischer Fotografie aus dem
letzten Jahrhundert hat ihren Schwerpunkt auf die amerikanische
‹realistische› Fotografie gelegt und überzeugte hier mit ausgesucht guten
Arbeiten. Weniger spannend dagegen war Weskis Wahl bei aktuelleren
Positionen: Wolfgang Tillmans und Sharon Lockhard beispielsweise fehlten
da genauso wie etwa Christopher Williams oder Nan Goldin.
Mit
‹Aller Anfang ist MERZ› zeigt das Museum darüber hinaus eine gross
angelegte Gruppenausstellung, welche die Folgen des Werkes von Kurt
Schwitters auf derzeitige künstlerische Produktionen thematisiert. Mit
dabei sind unter anderen Lois Renner, Nana Petzet, John Bock, Gregor
Schneider und die österreichische Künstlergruppe Gelatin, die mit ihrem
unterirdischen ‹Weltwunder› auch bei ‹In Between› dabei sind.
Im
Historischen Museum und im Kestner Museum Hannover schliesslich zeigen
zehn nicht europäische Künstlerinnen, beispielsweise Quin Yufen aus China,
in der Ausstellung ‹strange home› Installationen und multimediale Arbeiten
zum Thema Migration und Multikultur. Dabei suchen die Künstlerinnen
anlässlich der EXPO die Auseinandersetzung mit den in den jeweiligen
Museen präsentierten historischen Exponaten.
Noch aktuell: ‹strange
home› bis 3.9.; ‹Gerhard Merz› bis 31.10.; ‹Aller Anfang ist MERZ› bis
5.11.
Bis 31.10.2000
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