29. Januar 2010 - 00:04 Uhr · · Kultur

Neuwirth: Hippie-Kind im Klassik-Kleid

Hippie-Kind im Klassik-Kleid

Seit gestern hat die Heimat großer Söhne auch wieder eine große Tochter. Die Komponistin und Performancekünstlerin Olga Neuwirth ist die zehnte Frau, die mit dem Großen Österreichischen Staatspreis dekoriert wird. Die höchste Kulturauszeichnung des Landes belebt das Konto mit 30.000 Euro.

„Erstaunlich.“ „Zwiespältig.“ „Natürlich eine Ehre.“ Das waren die ersten Worte, die der in Graz geborenen 41-Jährigen einfielen, als sie die Kunde von Kulturministerin Claudia Schmied erreichte. „Wäre ich von Österreich abhängig gewesen, wäre ich keine Komponistin“, sagt Neuwirth. Zwar habe es auch hierzulande „immer Ausnahmen gegeben, Menschen, die auch zu mir gestanden haben, als ich noch nicht bekannt war – und auf die werde ich auch in meiner Rede hinweisen“, doch insgesamt: „Ich muss in Österreich, wahrscheinlich weil ich eine Frau bin, jedes Mal wieder beweisen, dass ich komponieren kann.“

Die am 4. August 1968 Geborene blickt auf eine Hippie-Kindheit zurück, die von einer bunten Gästeschar aus Kunstsinnigen und Dorfmenschen im Garten der antiautoritär erziehenden Eltern geprägt war. „Ich war ständig in dieser Hippie-Eltern-Alarmbereitschaft, man wusste nie, was die Erwachsenen als Nächstes tun“, sagt Neuwirth. Mit sieben Jahren wandte sich die Begabte dem Trompetenspiel zu. In Wien studierte sie von 1987 bis 1993 Komposition an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst und bildete sich in San Francisco und Paris weiter.

Neuwirths kompositorisches Schaffen ist von einem Lebensabschnitt geprägt, der sie „durch verschiedene Krankheiten und zwei Unfälle“ auf das „mich verfolgende ,Hauptthema’“ gebracht hat, schreibt sie in der Einleitung zur Biografie „Zwischen den Stühlen“: der „Kampf zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen“. Zum Komponieren ziehe sie sich zurück, sagte Neuwirth einmal in einem Interview. „Es ist ja alles schon in meinem Kopf, was ich schreiben will. Drum werden Komponisten wohl so schnell wahnsinnig.“

Ihr erstes abendfüllendes Musiktheaterwerk „Bählamms Fest“ (Libretto: Elfriede Jelinek) wurde 1999 bei den Wiener Festwochen uraufgeführt. An der documenta 12 in Kassel nahm sie mit einer Klanginstallation teil. Filmmusikalisch durchwirkte sie zuletzt Michael Glawoggers „Das Vaterspiel“.

Wiederholt kritisierte Neuwirth die Aufführungspraxis ernster zeitgenössischer Musik: „Man hat unglaublich Angst vor der Musik des Jetzt.“

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,328457
© OÖNachrichten / Wimmer Medien 2008 · Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung