Das Bregenzer Kunsthaus widmet sich Fragen der Authentizität und der Aneignung. Nicht alles ist dabei so überzeugend wie Marta Roslers Fotomontagen.
Bregenz - Pinsel oder 3-D? Grafit, Acryl oder Marmor? Was nehmen als Künstler?
Das Kunsthaus Bregenz stellt mit seiner Schau "So machen wir es" die ketzerische Frage, ob es noch relevant ist, ob ein Kunstwerk aus gefundenen Materialien zusammengesetzt ist oder gemalt wird? Kann man überhaupt noch etwas neu machen? War nicht alles schon einmal da? Was ist noch authentisch, und was kein Plagiat mehr? Fragen über Fragen.
Das klingt aufregend und umstürzlerisch, hat den Anflug, ganz vorn an der Klippe der Avantgarde zu stehen. Doch ganz so neu, wie es der Direktor des Kunsthauses Bregenz, Yilmaz Dziewior, umreißt, ist die Frage nach der Materialität keineswegs. Auch nicht danach, was bei der Übertragung in ein anderes Medium passiert, was dabei entsteht, und was beim Übersetzen verlorengeht. Lost in Art Translation?
Die New Yorkerin Anne Collier hat auf der extra für Bregenz entstandenen Arbeit Questions, einer täuschend simplen Bildtafel, die Leitfragen der Schau versammelt: Wie sind Dinge, Ereignisse, Menschen miteinander verbunden? Wo habe ich das schon einmal gesehen? Was ist der Grund, wie die Wirkung? Wie passen sie zusammen?
Wie passen nun die Arbeiten der siebzehn Künstlerinnen und Künstler in Bregenz zusammen? Die Antwort darauf lautet: nur wenig. Das Manko ist der Mangel an Qualität, sind die fehlenden kommunizierenden Röhren.
Zu divers ist die Zusammenstellung, zu weit driftet sie auseinander. Da sieht man neben Martha Roslers brillanten bitterbösen Antikriegsfotomontagen Harmloses wie Michael Riedels Vier Vorschläge zur Veränderung von "So", oder Simon Dennys putzige DVD-Installation über VIP-Typologien.
Die Fallhöhe im Zumthorbau ist zu groß. Vor allem, da als symbolisches und reales Herzstück in die Mitte der Ausstellung und des gesamten Gebäudes ein Kinosaal eingebaut wurde, in dem Jean-Luc Godards Histoire(s) du cinéma läuft, ein atemnehmendes mehrstündiges Bildertableau des 20. Jahrhunderts.
Erst die oberste Etage präsentiert tatsächlich einen Raum mit überzeugenden Arbeiten. Hier hängen die Marlboro-Werbung-Verfremdungsfotos von Richard Prince, Kelley Walkers Triptychon Black Star Press, in dem er auf fast alchimistische Weise Digital- und Siebdruck koppelte und drei Sorten Schokolade auf die Leinwand aufbrachte. Andy Warhols Elvis 4 Times und seine Siebdruckarbeiten Statue of Liberty und Handle with Care - Glass - Thank you, denen in ihrer Flachheit eine feine Aneignungsvolte innewohnt.
Als der Werbung und dem Alltag entnommene Abbilder sind sie Ikonen der Kunstgeschichtsschreibung geworden. Und gingen so, adaptiert und durch Zitate verfremdet, wieder ins Alltagsbilderreservoir und in die Werbung ein: die Reproduktionsschleife als Jungbrunnen.
Nicht zuletzt zitiert sich das Kunsthaus nebenbei selbst: Schon Jake und Dinos Chapman, 2005 in Bregenz gezeigt, hantierten mit dem Prinzip der Aneignung, als sie Goyas Caprichos "verbesserten" und cartooneske Gesichter einfügten. Mediale Täuschungsmechanismen sah man beim Deutschen Thomas Demand und bei Jeff Koons' fröhlicher Botox-Pop-Art-Kur 2002.
Dass 2006 Werke Cindy Shermans ausgestellt waren und Collier nun Sherman in die aktuelle Ausstellung auf dem Cover eines Männermodemagazins schmuggelt, ist Reverenz und Ironie in einem. Godard wiederum verweist auf des Filmkünstlers Harun Farocki Personale im letzten Winter. Und die arg luftige Adaption der Räume erinnert an Roni Horns asketische Inszenierung im Sommer 2010. Alles neu oder was? Das bleibt offen. Zumindest in Bregenz. (Alexander Kluy/DER STANDARD, Printausgabe, 20. 4. 2011)
Kunsthaus Bregenz: "So machen wir es. Techniken und Ästhetik der Aneignung. Von Ei Arakawa bis Andy Warhol". Bis 3. Juli
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