Kultur

Das Erwachen der Albertina

13.06.2007 | SN
Die Albertina solle zu einer "komplexen Sammlung" werden, kündigt Direktor Klaus Albrecht Schröder an. Ölgemälde werden Grafik und Fotos ergänzen. HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Interview Ministerin Claudia Schmied hat am vorigen Wochenende angekündigt, ihr nächstes kulturpolitisches Thema sei die Neuordnung der Bundesmuseen. Einer der aktivsten und zugleich umstrittensten Direktoren eines Bundesmuseums ist Klaus Albrecht Schröder von der Albertina.

Es mehren sich Vorwürfe, wie zuletzt vom Museumsberater Dieter Bogner (SN vom 6. Juni), die Albertina sei zu einer Kunsthalle geworden.

Schröder: Das ist ein unglaublicher Unfug! Wir können unsere Sammlung nur in Wechselausstellungen zeigen, weil die meisten Werke lichtempfindlich sind. Jede grafische Sammlung der Welt zeigt ihre Werke nur für drei bis vier Monate.

Insofern ist der Ausstellungsbetrieb zwar mit einer Kunsthalle vergleichbar. Doch der Unterschied ist: Die Stärken unserer Sammlung werden zum Ursprung der Ausstellungen. Werkschauen von Dürer, Rembrandt, Schiele, Munch, Rudolf von Alt oder Peter Fendi haben wir gemacht, weil wir von diesen Künstlern viele Arbeiten haben.

Es heißt, in der Albertina hätten Besucherrekorde oberste Priorität.

Schröder: Ich kann mit dem Vorwurf leben, mehr als drei Millionen Besucher in vier Jahren gehabt zu haben. Das ist das Fünffache dessen, was die Albertina in 150 Jahren zuvor gehabt hat. Früher einmal hatte die Albertina durchschnittlich drei Besucher am Tag. Wurde nicht da versäumt, Zeichnung und Grafik breiten Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen?

"Picasso ist im Prado, im Thyssen-Bornemiza und in der Reina Sofia." Wir haben in den letzten sechs Jahren die Sammlung um Werke im Wert von mehr als fünf Millionen Euro erweitert. Im selben Wert haben uns zeitgenössische Künstler Werke geschenkt.

In Ihrer jetzigen "Brücke"-Schau sind großteils Leihgaben. Passt die nicht besser in eine Kunsthalle?

Schröder: Von den 260 Werken dieser Ausstellung sind genau 100 aus der Albertina, die Österreichs größte "Brücke"-Sammlung hat.

Warum heißt der Untertitel nur "Die Sammlung Hermann Gerlinger", ohne die Albertina zu nennen?

Schröder: Es ist auf der ganzen Welt selbstverständlich, einen wichtigen Leihgeber, in diesem Fall die Sammlung Gerlinger, zuerst zu nennen.

Oft werden die gleichen Aktivitäten der Bundesmuseen bekrittelt. Es heißt, in anderen Städten gebe es nicht so viele Überschneidungen.

Schröder: Ach! Ich dachte, Impressionisten, Kubisten und Surrealisten hängen im Guggenheim, einen Kilometer weiter hängen sie im Museum of Modern Art. Sie haben Monet bis Cézanne im Musée d'Orsay in Paris, 700 Meter weiter im Musée de l'Orangerie. In der Tate in London hängen Signac, Cézanne und Mondrian, dieselben Künstler sind in der National Gallery, und die Sonderausstellungen macht die Royal Academy. Dasselbe ist in Madrid: Picasso im Prado, im Thyssen-Bornemiza und in der Reina Sofia.

Solange Kernbereiche des Bundesbesitzes in verschiedenen Häusern sind, wird es Überschneidungen geben. Wir haben zum Beispiel 180 Schieles, die Österreichische Galerie hat 25, das Leopold-Museum hat 130 Schieles auf Papier und 45 Gemälde. Oder: Unseren 700 Kokoschkas stehen 15 in der Österreichischen Galerie gegenüber, ein unvollendeter Kokoschka im Mumok und zwei Bilder sowie knapp 100 Zeichnungen im Leopold-Museum.

Mumok-Direktor Edelbert Köb, kritisiert, dass mehrere Bundesmuseen im Feld des Mumok agierten, im Zeitgenössischen und in Klassischer Moderne. Er sagte, die Albertina sei ein "Moderne-Museum" geworden.

Schröder: Darf ich eine Gegenfrage stellen? Nennen Sie bitte nur eine Ausstellung zur klassischen Moderne im Mumok! Gab es dort eine Matisse-Ausstellung? Oder Picasso? Klee? Kandinsky? Kokoschka? Das Mumok zeigt nicht eine einzige Ausstellung zur Kunst vor 1960.

Wenn Herr Köb die Polke-Retrospektive macht, gönne ich sie ihm, wiewohl die drei Sammlungen vorher versucht haben, die Ausstellung in die Albertina zu bekommen. Ich hatte nur nicht Zeit. Ich habe gesagt, nein, sie sollen es dort haben. Allerdings: Im Mumok ist nicht ein Polke. Bei uns sind zehn Polkes.

Vom Namen kann das Mumok alles ableiten, aber von seiner Sammlung nicht. Das ist der Grund, warum die Sammlung Batliner gesagt hat: Wenn Österreich, dann die Albertina. Oder nicht die Albertina, aber dann auch nicht Österreich. Nicht eine Sekunde hat dieser Sammler oder das Ehepaar Forberg daran gedacht, ihre Sammlungen einem anderen Museum zu geben.

"Keine andere grafische Sammlung der Welt steht allein." Wie passen diese beiden an Ölgemälden reichen Sammlungen Batliner und Forberg in die Albertina?

Schröder: Wir haben von darin vertretenen Künstlern bereits große Bestände. Und wir können mit Ölbildern, die nicht so lichtempfindlich sind wie Grafiken, eine permanente Schausammlung etablieren.

Keine andere grafische Sammlung der Welt steht allein. Alle sind Teil eines großen Komplexes. So ein Komplex war die Albertina bis 1923. In der Wirtschaftskrise wurden die Sammlungen des Bundes nach Medien marginalisiert. Wir gaben unsere Tapisserien ans Kunsthistorische Museum, die Gemälde an die Österreichische Galerie.

Jetzt wird die Albertina wieder eine komplexe Sammlung. Sie hat bereits Architekturzeichnungen, Fotosammlung, Asiatika, japanische Holzschnitte sowie Miniaturen. Jetzt bekommt sie Ölbilder hinzu.

Würden Sie etwas nicht tun, weil es in die Kompetenz eines anderen Bundesmuseums fiele?

Schröder: Ich weiß nicht, was Sie da meinen. Wir machen, was zu unseren Sammlungsinhalten passt. Sechs Jahrhunderte Kunstgeschichte in diesen eineinhalb Millionen Objekten der Albertina legitimieren uns zu jeder Art von Präsentation.

Sehen Sie die anderen Museen als Konkurrenten?

Schröder: Das Wort "Konkurrenz" nehmen wir uns nicht zu Herzen. Man redet unter Kollegen üblicherweise wie unter Partnern.

Allerdings habe ich verstanden, dass die Politiker eine Art geistigen Wettbewerb wollen, der den Besuchern zugute kommt. Ich habe allerdings psychologisches Verständnis dafür, dass jene Museen, die vor dem Erwachen der Albertina die Platzhirsche waren, jetzt Adaptionsschwierigkeiten haben, wenn sie das Publikum mit anderen teilen müssen oder überrundet werden. Auch Amerika tut sich schwer, dass China eine Weltmacht wird.

In dieser Woche eröffnen sie eine Ausstellung von Australian Aboriginal Art. Was hat die mit der Sammlung der Albertina zu tun?

Schröder: Gar nichts. Wir werden damit einem der Förderer der Albertina die Ehre erweisen: Donald Kahn. Er hat eine ganze Halle errichten lassen, ohne einen Euro Steuergeld. Mit seiner Sammlung von Australian Aboriginal Art werden wir ihn als Persönlichkeit vorstellen.

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