05.02.2002 14:26:00 MEZ
"documenta 11": Einzug in Kassel
Start des öffentlichen Vortragsprogramms

Kassel - Die "documenta 11" hält Einzug in Kassel. Vier Monate vor der Eröffnung der Weltkunstschau hat mit dem Start des öffentlichen Vortragsprogramms der Countdown in der nordhessischen Großstadt eingesetzt. In den kommenden Monaten wollen Ausstellungs-Macher und Künstler über Geschichte, Konzepte und Inhalte der "documenta" informieren.

Transparenz

"Unser Ziel ist, den ganzen Komplex "documenta" für die Öffentlichkeit verständlich und transparent zu machen", sagt der künstlerische Leiter, Okwui Enwezor. "Transparenz" und "Kommunikation" sind Stichworte, die der aus Nigeria stammende US- Amerikaner gern benutzt. Doch was genau an den hundert Tagen zwischen dem 8..Juni und dem 15. September in Kassel zu sehen sein wird, ist immer noch ein wohlgehütetes Geheimnis. Auch der Eröffnungsvortrag der Co-Kuratoren Ute Meta Bauer und Sarat Maharaj am Montagabend im überfüllten Hörsaal der Kasseler Kunsthochschule hinterließ in dieser Hinsicht mehr Fragen als Antworten.

Diskutiert und dokumentiert

Dabei war der Entstehungsprozess einer "documenta" wohl noch nie so öffentlich, der theoretische Vorlauf wohl noch nie so groß wie bei dieser elften Ausgabe. Okwui Enwezor und sein sechsköpfiges Kuratoren-Team haben die Erörterung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen künstlerischer Produktion zu einem wesentlichen Teil der "documenta" erklärt: Bereits vor knapp einem Jahr begann in Wien die Serie so genannter Plattformen, bei denen Wissenschaftler und Bürgerrechtler an verschiedenen Orte der Welt über Demokratie, Globalisierung oder kulturelle Unterdrückung diskutierten - alles vollständig dokumentiert im Internet.

Theorie

Mit den Kasseler Vorträgen soll nun der Transfer an den Ort der fünften und letzten Plattform gelingen - der Ausstellung selbst. "Das klingt alles sehr abstrakt und sehr theoretisch", räumt Ute Meta Bauer ein. "Es hat aber sehr viel mit Kunst zu tun - ohne diese Auseinandersetzungen ist künstlerisches Schaffen heute einfach nicht mehr möglich." Ihr Kollege Sarat Maharaj wird nur wenig konkreter: Das Kuratoren-Team wolle nicht nur bereits vorhandene Kunstwerke zusammenstellen, sondern auch Denkprozesse auslösen und die künstlerische Produktion anregen, erklärt er. "Es ist schwer zu sagen, wo die Kritik endet und die Kreativität beginnt."

Interesse für Film

Wie sich das in den ausgestellten Arbeiten niederschlagen könnte, bleibt indes nach wie vor völlig offen. Vieles spricht dafür, dass Filme einen besonderen Stellenwert bekommen könnten - nicht nur Videokunst, sondern auch Dokumentar- oder Spielfilme. Bei den Diskussionsplattformen jedenfalls nahm dieses Medium einen prominenten Platz ein. Zudem gehört der israelische Filmemacher Eyal Sivan, der für seinen Film "Ein Spezialist" über den Mitorganisator des Holocaust, Adolf Eichmann, im vergangenen Jahr mit dem Adolf- Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, sicher nicht ohne Grund zu den wenigen bereits offiziell benannten "documenta"-Teilnehmern.

Politische Ausstellung

Fest steht jedenfalls: Enwezor und seine Mitstreiter wollen eine politische Ausstellung machen und den westlichen Blick auf die Kunst in Frage stellen. Über Details schweigen sie hartnäckig. Bis zur offiziellen Bekanntgabe der Künstlerliste im Mai wird es daher wohl bei der lapidaren Antwort bleiben, dass rund hundert Teilnehmer eingeladen würden, aus allen Genres und von jedem der fünf Kontinente. Für alles Weitergehende gilt der Satz von "documenta"- Sprecher Markus Müller: "Ich denke, dass man das, was man sehen kann, erst dann sehen kann, wenn die Ausstellung eröffnet wird."

(APA)


Quelle: © derStandard.at