Salzburger Nachrichten am 26. Jänner 2006 - Bereich: Kultur
Kunst und Pistaziensplitter Irene Andessners
Mozartprojekt wird in Salzburg und Graz gezeigt
Martin BehrGraz (SN). Ein Jubiläumsjahr wirkt offenbar inspirierend.
Regisseur Kurt Palm, noch nie ein Feind der Selbstinszenierung, fühlt sich
bemüßigt, zum Mozartjahr einen Film und ein Kochbuch aufzutischen. Das
Künstlerduo Julius Deutschbauer und Gerhard Spring ruft auf (Vorsicht
Ironie!), sich am Mozartjahr 2056 kreativ zu beteiligen. Und jetzt hat
sich auch die Künstlerin Irene Andessner einen Mädchentraum erfüllt: Ihr
Antlitz schmückt eine Mozartkugel. Pardon, eine "Mozart(?)Kugel". Das Fragezeichen im Projekttitel stehe für die in Klammern gesetzten
Fragezeichen in Bildunterschriften, die Unsicherheiten bezüglich
Datierung, Identität der dargestellten Person oder des Malers eines
historischen Künstlerporträts anzeigten, betont Andessner. Die in Salzburg
geborene Künstlerin hatte weiland einen Spross der
Ur-Mozartkugel-Produzenten-Dynastie Fürst als Klassenkameradin. Die damals
aufgetauchte Frage lautete: "Warum ist keine Frau auf der süßen
Kugel?" Rund 250 Millionen Mozartkugeln werden heuer produziert, mit Hilfe des
Grazer Traditionsbetriebes "Erzherzog Johann" steuert auch Andessner
einige Tausend Exemplare bei. Für die Verpackung hat die Künstlerin das
1785 von Joseph Grassi gemalte "Porträt eines Mannes (Mozart?)"
nachgestellt: die Performance-Künstlerin in der Maske des (nicht
gesicherten) Komponisten. Eine Kalorienbombe, geschmückt mit einem Echtfoto der Künstlerin. 1,20
Euro kostet die Praline mit dem dunklen Schokoladenmantel, Nougat,
Marzipan und - das ist die Besonderheit der Andessner-Kugel -
Pistazienkernsplittern. Andessner setzt mit ihrem formal perfekt umgesetzten Projekt "I. A.
Mozart (?)" ihre Reihe der Selbstinzenierungen mit Rollenspiel fort.
Mozart sowie dessen Familie war für sie stets ein kunstwürdiges Thema,
unter anderem ist sie in die Rolle der Constanze Mozart geschlüpft. Auch
Jesus Christus, Christoph Columbus oder Marlene Dietrich boten Stoff für
"physiognomische und charakterliche Identifikationen". Die abseits ihrer Arbeit fotoscheue Künstlerin präsentiert heute,
Donnerstag, ihre Beschäftigung mit Wolfgang Amadeus Mozart in der
Salzburger Galerie Rudolf Budja; ab Freitag ist sie in der
Gruppenausstellung "Mozart" der "Werkstadt Graz" zu Gast. |