diepresse.com
zurück | drucken
03.01.2002 - Ausstellung
Mürzzuschlags Kunstkreisen zwischen X und U
Das Jahresmuseum des Kunsthaus Mürz zeigt diesmal "Zusammenhänge im Biotop Kunst" auf.
VON JOHANNA HOFLEITNER


Gar eigenwillige Pflanzen wachsen mitunter im Biotop der Kunst, bisweilen auch anmutige, in ihrer Schönheit anspruchsvolle. Schwierig sind sie allemal, fast niemals aber unzugänglich. Daß dieses Biotop ein Sumpf sei, in den vorzuwagen sich nicht empfiehlt, ist allerdings ein böses Vorurteil. Das ist bloß eine Frage des Zugangs und mithin der Vermittlung.

Ein Ausstellungsort, in dessen Konzept die Vermittlung seit jeher einen hohen Stellenwert einnimmt, ist das Kunsthaus Mürz in Mürzzuschlag. Mit der dort vor rund zehn Jahren entwickelten Idee des "Jahresmuseums", dessen vielfältige Möglichkeiten der inzwischen ans "Museum des Nötscher Kreises" übersiedelte Gründungskurator Otmar Rychlik über mehrere Jahre hinweg klug demonstriert hat, zeigt man vorbildlich, daß es viel Sinn macht, auch außerhalb der Zentren zeitgenössische Kunst auf internationalem Niveau zu zeigen. Jetzt werden Tradition und Anspruch des Jahresmuseums mit wechselnden Kuratoren fortgeführt.

Fürs diesjährige erst spät im Jahr gestartete Jahresmuseum zeichnet Georg Kargl, Wiener Galerist und Auktionator, verantwortlich. Sein "Ausstellungsparcours" mit Kunstwerken der letzten 100 Jahre trägt die Handschrift des Connaisseurs. Thema im inhaltlichen Sinn gibt es keines, um so mehr aber legt Kargl Fährten, hält an zu flanieren und läßt den Besucher selbst "Zusammenhänge im Biotop Kunst" entdecken, auf daß dieser die Eigenheiten von Kunst selbst aufspürt.

Von Hoffmann bis Richter

Assoziation ist das Grundprinzip dieser Schau, in der große Namen ebenso vertreten sind wie unbekannte. Ein Schrank von Josef Hoffmann, eine Skizze von Dagobert Peche, eine Schiele-Zeichnung finden sich da etwa neben Malerei von Robert Smithson und Photographie von Hans Kupelwieser. Malerei des jungen Herbert Hinteregger wird flankiert von einer grauen Monochromie Gerhard Richters sowie struktureller Malerei von Rudolf Stingl und Ull Hohn.

Günter Brus' Aktionsphotos verweisen auf die Konzeptkunst der verstorbenen Ketty La Rocca, die wiederum überraschende Bezüge zu Rosemarie Trockel aufweist. Tuschblätter von Raymond Pettibon durchziehen die Schau leitmotivisch, treten einmal in einen Dialog mit den Riesenporträts von Chuck Close, dann mit der Bild gewordenen Semiotik eines Thomas Locher, einem Stuhl von Charles und Ray Eames, bis sich mit einer Nachbarschaft zu Brus der Kreis zum Aktionismus schließt.

Oder Arnulf Rainer, Übervater der österreichischen Gegenwartsmalerei: Im Zusammenhang mit der jungen Figuration sind seine über dreißig Jahre alten "Face-Farces" hochaktuell, das zeigt ein Arrangement zusammen mit Bildern der jüngeren Malergeneration - eine psychologisch tiefschürfende Gesichtsstudie von Marlene Dumas, Elizabeth Peytons melancholisches "Prince Harry"-Bildnis und dazu ein anmutiges Teenager-Porträt von Muntean/Rosenblum.

Die dritte Dimension ordnet sich konsequent um die Mittelachse, wo die Bereiche Skulptur, Raum und Architektur verhandelt werden: eine mit Asphalt bekleckerte und den geologischen Zeitaltern beschriftete Treppenpyramide von Mark Dion, eine frühe Stele von Willi Kopf sowie ein x-förmiges "Booktable" von Richard Artschwager repräsentieren verschiedene skulpturale Ansätze. Eine eigene Nische ist den "Werkverzeichnissen" vorbehalten: Marcel Duchamps "Boite" stehen das eigene OEuvre reflektierende Arbeiten von Gerhard Richter und Ines Lombardi gegenüber.

Die Lehre vom Freiraum

Zu guter Letzt will schließlich das Herzstück der Schau erobert werden: in einer X- sowie daneben einer U-förmigen Zelle findet anhand schwarzer Monochromien von Ad Reinhard sowie, noch einmal, Raymond Pettibon, eine Annäherung an die Leere als geistiger Freiraum statt - ein meditativer Zugang, der mit einer frühen Ölmalerei Gerwald Rockenschaubs, einer bunten Neonskulptur von Dan Flavin sowie einer schillernden Tintenzeichnung von Herbert Hinteregger sogleich seiner Absolutheit entledigt wird.

"Zusammenhänge im Biotop Kunst" ist eine aufwendige Schau und zeitintensiv, weil sie einlädt zurückzugehen, nachzuschlagen, zu vergleichen, zu überprüfen und das eine oder andere Urteil zu revidieren. Man sollte die Einladung auf den Parcours annehmen. Dann kann einem gewiß nicht so bald einer ein X für ein U vormachen.

Bis 3. Februar. Do. bis Sa., 10 bis 18, Sonn- und Feiertage, 10 bis 16 Uhr.



© Die Presse | Wien