Salzburger Nachrichten am 15. September 2006 - Bereich: Kultur
Das aktuelle China-Bild

Die neue Ausstellung der Sammlung Essl in Klosterneuburg gibt einen Überblick über chinesische Gegenwartskunst seit den 90er Jahren.

Niko WahlKlosterneuburg (SN). "Wo bleibt die Kunst, wo bleibt der Mensch?" fragte sich Karl Heinz Essl, einst Chef der Handelsfirma Baumax, als er vor einigen Jahren zu einem Wirtschaftstreffen nach China reiste. Im Unterschied zu den Waren ist die Kunst aus dem Reich der Mitte noch immer nicht übermäßig verbreitet. Essl besuchte über vierzig Künstlerateliers in China, lernte den Kurator Feng Boyi kennen und initiierte die Schau "China now. Faszination einer Weltveränderung", die am Donnerstagabend im Museum in Klosterneuburg eröffnet wurde und für die das Bild "Sprinting Forward 2" des 25-jährigen Chi Peng programmatisch ist. Nach zweijähriger Vorbereitung werden rund hundert Werke von 44 Künstlern gezeigt. Ein Großteil davon ist Teil der Sammlung Essl.

In der Presseführung am Donnerstagvormittag stellt Feng Boyi fest, dass Chi Peng keine Ausnahme sei: Zur Zeit gebe es eine vitale junge Kunstszene in China. Die Künstler profitierten von der wachsenden Rolle Chinas auf dem Weltmarkt. Diese Situation fördere den Absatz der Werke und führe dazu, dass Absolventen der Kunsthochschulen oft sofort nach ihrem Studium von ihrer Kunst leben könnten. Bis vor Kurzem wurde nach Fengs Aussage vorwiegend traditionelle chinesische Kunst gesammelt. Aufstrebende chinesische Unternehmen hätten mittlerweile Gegenwartskunst als Investitions- und Sammlungsobjekt entdeckt.

Die gezeigten Werke - Gemälde, Fotos, Skulpturen und Installationen aus allen erdenklichen Materialien - sind auch abgesehen von ihrem Marktwert spannend. Feng Boyi hat die Ausstellung nach Themen geordnet. Ein Teil der Werke repräsentiert die Rebellion gegen die limitierten bürgerlichen Freiheiten in China. An anderer Stelle geht es um Tradition und Erinnerung, die sich aus dem politischen und kulturellen Erbe der Mao-Zeit ergeben. Ebenso nimmt sich die Schau der boomenden Städte, dem Chaos des Aufschwungs und der Migration vieler Chinesen Richtung Europa und Amerika an. Ein letzter Teil dreht sich um Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung. Hier geht es um die jüngsten Vertreter der chinesischen Kunstszene. In ihren Arbeiten finden sich wenige Verweise auf die kommunistische Vergangenheit. Hier wird eine Kunst gezeigt, die an die internationale Szene Anschluss gefunden hat und lustvoll aus persönlicher Erfahrung wie aus der Geschichte des Landes schöpfen kann. Chi Pengs Werk steht für diese Künstlergeneration. "China now": Bis 28. Jänner 2007. Information im Internet: www.sammlung-essl.at