„Das Belvedere hat eine fast 100-jährige Beziehung zu Egon Schiele“, sagte Belvedere-Chefin Agnes Husslein-Arco bei der Presseführung. Schon 1912 hätten sich etliche Aquarelle im Besitz der damaligen Österreichischen Staatsgalerie befunden.
Von den ausgestellten 95 Werken stammen zehn aus der hauseigenen Sammlung, 22 sind erstmals in einer öffentlichen Präsentation in Österreich zu sehen. Manche Wünsche blieben allerdings unerfüllt. Ein Porträt aus dem Guggenheim Museum erwies sich als zu fragil für den Transport, ein weiteres Edith-Porträt wollte das Gemeentemuseum Den Haag nicht verleihen.
Und auch die „Wally“ blieb dort, wohin sie erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt war – im Leopold Museum. Man hoffe, dass die Belvedere-Besucher auch den Weg ins Museumsquartier fänden, sagte Leopold-Museum-Sprecher Klaus Pokorny, und verwies auch auf die dort für September vorbereitete Schiele-Schau „Melancholie und Provokation“.
Aber es gibt ohnedies genug zu sehen. Die mit 14 Briefen Schieles und einer mit zahlreichen Fotos versehenen Lebensgeschichte ergänzte Porträt-Schau punktet nicht mit Quantität, sondern mit der klugen Zusammenstellung der Werke. Durch die chronologische Abfolge lässt sich die Entwicklung von Schieles Stil in dem knappen Dutzend aktiver Jahre nachvollziehen.
Starke Ausdruckskraft
Bereits die Zeichnungen des 16-Jährigen, der als jüngster Schüler an die Kunstakademie aufgenommen wurde, verblüffen durch ihre Sicherheit und Ausdruckskraft.
In den einzelnen Kapiteln stechen als Inseln jene Porträts heraus, die in mehreren Anläufen die gleiche Person zeigen – neben seiner Frau Edith etwa den Verleger Eduard Kosmack, den Kunstkritiker Arthur Roessler oder den Industriellen-Sohn Erich Lederer.
Den Höhepunkt der Ausstellung bilden Schieles Selbstporträts. Sie zeigen ihn als Heiligen, als Gefangenen, als Kranken, als pfeildurchbohrten Sebastian, als dämonische Gestalt mit gespreizten, dünnen Fingern, als arroganten Jüngling in bunter Pfauenweste oder in einem Doppelselbstporträt mit Wally als wissenden Seher.
Mit wenigen Schritten kann der Besucher hier ein ganzes künstlerisches Universum durchmessen. Die Leuchtkraft dieser Sterne wird dafür sorgen, dass das Werk Egon Schieles noch lange weiterstrahlen wird.
Getreu einem Schiele-Zitat, das auch in dieser Ausstellung im Belvedere verwendet wird: „Kunst kann nicht modern sein; Kunst ist urewig.“
Zur Ausstellung:
„Egon Schiele – Selbstporträts und Porträts“; Belvedere, Orangerie, bis 13. Juni, tgl. 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr; Katalog (Prestel Verlag, 38 Euro, 264 S., ISBN 978-3-7913-5108-7, Deutsch). Kontakt: belvedere.at