Garten als Ort der Traumbilder
Alfred Kubin. In Tausenden Zeichnungen stellte Alfred Kubin den realen Schrecken und das Grauen einer geplagten Fantasie dar.
Gudrun Weinzierl Salzburg (SN). „Nehmen Sie mir meine Angst nicht, sie ist mein ganzes Kapital“, sagte Alfred Kubin zu seinem Arzt, als er schon auf dem Sterbebett lag. Diese Angst – entsprungen aus widrigen Lebensumständen, nervöser Reizbarkeit und einer von Kubin immer wieder beschriebenen Lust am Grauenhaften, Dämonischen, Albtraumhaften – hatte ihn ein Leben lang im Griff.
Leitmeritz in Nordböhmen als Geburtsort, Salzburg und Zell am See als Orte der Kindheit, Lehrjahre zum Fotografen in Klagenfurt, Studentenzeit in München und ab 1906 die vielen Jahre auf seinem Schlösschen Zwickledt in Wernstein bei Schärding waren die äußeren Lebensstationen des Österreichers. Innerlich hingegen war Alfred Kubin ein Weltenwanderer zwischen Sexualität, Erotik, Sakralem, Tod und Höllenszenerie, Fantastischem und Realem.
Der frühe Tod seiner geliebten Mutter, die Strenge seines unnahbaren, ihm verhassten Vaters, sexueller Missbrauch des Elfjährigen durch eine Schwangere, Schulversagen: Die Realität des Kindes Alfred Kubin wird zum Sprungbrett seiner Fantasien, seiner Selbstzerstörung bis hin zu einem Selbstmordversuch und seines Eintritts in die „Traumreiche“ seiner Kunst wie seines literarischen Schaffens. Ventil, seine Angst abzuschütteln und zu verkleinern wird seine Kunst.
Als Mensch zieht Alfred Kubin sich zurück, mit seiner Frau Hedwig Gründler lebt er auf seinem Landsitz oberhalb des Inns. Er wird als gastfreundlich, höflich und liebenswert beschrieben. Sein Mentor und Freund Monsignore Otto Mauer schrieb über ihn jedoch, dass er ihn von Dämonen besessen halte.
Der eifrige, jeden Abend füllende Briefwechsel mit Freunden und Freundinnen, bedeutenden Künstlern und Literaten war für Alfred Kubin die Verbindung zur Außenwelt. Er wurde zum Berater für junge Künstler, etwa der jungen Emmy Haesele (siehe unten). Auch wenn er keine Schule begründet hatte, seiner Bild- und Wortkraft konnte man sich nicht entziehen.
Alfred Kubin galt als „Magier eines Traumreiches“ und wusste die Stimmungen der Jahrhundertwende, die Dekadenz und die in der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts vertretene schwarze Romantik darzustellen. Zudem erfasste er visionär Krieg, wirtschaftliche und soziale Not und daraus erwachsende existenzielle Bedrohung. Am 20. August 2009 jährt sich zum 50. Mal der Sterbetag Kubins. Ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod und hundert Jahre nach der Erstveröffentlichung seines Romans „Die andere Seite“ wird er als Zeichner, Illustrator und als Literat in Museen wie Galerien gewürdigt.
Alfred Kubin wird oft als der bedeutendste Zeichner Österreichs im 20. Jahrhundert bezeichnet. Sein Oeuvre an Zeichnungen, Grafiken, Mappenwerken und Illustrationen ist riesig, allein in Museumsbesitz (vor allem in der Albertina, in Linz, im Lenbachhaus München und im Museum der Moderne Salzburg) befinden sich rund 7000 Einzelblätter. Kein anderer Künstler hatte zu Lebzeiten eine so große Anzahl von Ausstellungen bestückt wie er.
Das Museum der Moderne Salzburg geht in seiner neuen Ausstellung im Rupertinum, die heute, Samstag, eröffnet wird, einem Hauptaspekt seines Schaffens nach: den Illustrationen. Zwei Mal, 1909 und 1952, hat Alfred Kubin seinen eigenen Roman illustriert. Berühmt wurde er mit Zeichnungen für Edgar Allan Poe, Voltaires „Candide“, Strindbergs „Nach Damaskus“ und „Tschandala“, Dostojewski, E. T. A. Hoffmann, Hofmannsthal, Trakl, Bürgers „Münchhausen“, Achim von Arnims „Majoratsherren“. Er hat über 140 Bücher illustriert.
Auf Einzelblättern, in Mappenwerken wie in Illustrationen zeigt er geschundene Figuren, Zwischenwesen aus Mensch und Tier, Pferd und Schlange, bedrohlich fliegende Insekten, krumme Alte, ruinenhafte Häuser, sumpfige Landschaften, verwüstete Landstriche oder Städte. Er selbst bezeichnete in seiner Autobiografie „Dämonen und Nachtgesichte“ sein Werk am Zeichentisch als „Traumprotokolle“. www.museumdermoderne.at