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20.07.2006 - Kultur&Medien / Kultur News
Picasso: Versteigerung live am PC
VON PAUL KRUNTORAD
Auktionsusancen. Christie's und Sotheby's ringen mit neuen Mitteln um ihre Klienten.

Am 8. November, wenn Christie's in New York eines der Hauptwerke Pi cassos aus seiner Blauen Periode, das Porträt seines Freundes Angel Fernandez de Soto, im Auftrag des Musical-Milliardärs Andrew Lloyd Webber versteigert, bei einem Schätzpreis von 40 bis 60 Mio. Dollar (33 bis 50 Mio. Euro), dann kann jeder die Auktion live auf dem PC-Bildschirm verfolgen - und auch mitbieten. Das ist das neue Service des Auktionshauses, das seit einigen Jahren zum Imperium des französischen Milliardärs François Pinault gehört (selbst En-gros-Sammler alter und neuer Meister).

Wie Christie's meldet auch das um zwei Jahrzehnte ältere Auktionshaus Sotheby's Rekorde in allen Bereichen. Die beiden liefern einander wieder den Konkurrenzkampf, den man im Zeichen des freien Marktes von ihnen erwartet. Das war nicht immer so: Ende des 20. Jahrhunderts strengte die US-Kartellbehörde einen Prozess gegen beide an, wegen Absprachen im Bereich der Auktionsgebühren, die man sowohl vom Verkäufer als auch vom Käufer verlangte. Der damalige Christie's-Chef entging der Verurteilung, weil er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellte. Beide Auktionshäuser mussten schließlich 2001 eine halbe Milliarde Dollar an die Kläger zahlen.

Einen Meilenstein innovativer Auktionsgestaltung setzte Sotheby's 1987, als es dem australischen Medienmagnaten Allan Bond die Ersteigerung der "Sonnenblumen" van Goghs zum damaligen Weltrekordpreis von 50 Millionen Dollar finanzierte. Das Bild freilich verließ die USA nie, denn Bond blieb den Betrag schuldig und Sotheby's versteigerte die "Sonnenblumen" neu, an das Getty Museum.

Ein weiterer innovativer Schritt der Auktionshäuser sind die Preisgarantie und der Erlass der Auktionsgebühren für den Einlieferer. Wenn das Höchstgebot unter dem garantierten Betrag bleibt, gibt es für das Auktionshaus ein Verlustgeschäft. Im gegenwärtig geradezu überheizten Markt ist freilich meist das Gegenteil der Fall. Wie viel mehr als den ihm unbekannten Garantiepreis der Meistbieter für das Objekt seiner Begierde zahlt, das teilen sich Einlieferer und Auktionshaus nach einem vorher festgelegten Schlüssel.

Im Wettbewerb um wichtige Klienten sind die Auktionshäuser offenbar neuerdings auch bereit, einen Teil (man sagt, bis zu 80%) der Käufergebühr (10% vom Zuschlag) an die Einlieferer weiterzugeben. Christie's sagt, dass an der Spitze des Marktes der Geschäftsabschluss sehr komplex ist und verschiedene finanzielle Dienstleistungen enthält, etwa Vorschüsse auf Einlieferungen, längerfristige Kredite, Garantien etc. Mit finanzieller Beratung war Christie's auch an einem der spektakulärsten Privatankäufe der letzten Zeit beteiligt: Ronald Lauders Erwerb von Klimts "goldener Adele" für seine New Yorker "Neue Galerie".

Dass Lauder auf die Preisvorstellungen der Erben und des Anwalts Ronald Schoenberg einging, verwundert die US-Medien nur leicht. Offenbar geht es auch darum, das Gesicht der Beteiligten zu wahren. Lauder anerkennt damit de facto auch die Preisvorstellungen der Erben für die übrigen vier Bilder. Was er wirklich auf den Tisch legen muss, wie viel etwa der Anwalt, der ein Erfolgshonorar von 40 Prozent ausgehandelt hat, tatsächlich bekommt und welche steuersparenden Tricks die Beratung von Christie's enthält - das kann man nur vermuten.

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