Rein, raus und wieder rein
Von Claudia Aigner
Wenn man den Vorhang wegzieht und genau dort hineingeht, wo
Elke Krystufek es vorgesehen hat, dann kommt man sich schon ziemlich
indiskret vor. Man steigt ja quasi überfallsartig der Reihe nach zu elf
wildfremden Personen in die Umkleidekabine. Und man fühlt sich auch nicht
wesentlich besser, nur weil praktisch jede dieser Personen einen
schlechten Geschmack in puncto Mode hat. Aber man fühlt sich besser, weil
alle nur Schaufensterpuppen sind. Die "Umkleidekabinen", die noch bis
25. Oktober bei Georg Kargl (Schleifmühlgasse 5) eine mittelschwere
Klaustrophobie verursachen, haben auf der Rückseite jeweils das Porträt
eines Bandmitglieds der Gruppe "Spain" (einmal aber auch von Elke
Krystufek, wie es sich für eine richtige "Ich-Fanatikerin" ja gehört). Und
die Schaufensterpuppen? Alter Egos der Krystufek? Eine hat ein
Erstkommunionskleidchen an (und sieht dermaßen unschuldig aus: Wenn man
den Schleier vorne an der Kabine zur Seite schlägt, kommt das ja schon
einer Defloration gleich), ein Plastikmäderl trägt einen viel zu großen
Damenschuh und der Freak mit dem Furcht einflößenden Teint dürfte ein
ausgesprochener Heino-Fan sein. (Also wahrscheinlich doch keine Alter Egos
der Künstlerin.) Über Kopfhörer kann man dann auch Krystufeks
(mitunter sehr hormoneller) Autobiografie lauschen und für Augenblicke
auch einem Staubsauger, der demonstriert, dass er nicht nur Staubmilben
ins Nirwana (den Staubbeutel) befördert, sondern auch urplötzlich das
Schreibgerät einer Künstlerin schluckt, wenn diese gerade ihre "Memoiren"
auf Band spricht. Meine Neugier und meinen Voyeurismus hat das Ganze
jedenfalls geweckt. Ansonsten gebe ich den Versuch auf, ergründen zu
wollen, was das alles mit der Gruppe "Spain" zu tun hat. Ein Video
spult daneben so etwas wie "Elke im Zeitraffer" ab: eine Minute pro
Lebensjahr. Anfangs noch das herzige Kleinkind und schön langsam die
Performerin, die ihre Körperöffnungen in allen Rein-raus-rein-Variationen
zur Aufführung bringt: Da zeigt sie den Beischlaf mit einer Salatgurke her
(es ist ja nicht anzunehmen, dass sie einfach nur den Mund verfehlt hat)
oder wie sie unter Zuhilfenahme zweier Finger bei ihrer Verdauung den
"Rückwärtsgang" einlegt. Oder sie pinkelt in ein Weinglas und trinkt das
dann aus (igitt!). Wer jetzt etwa glaubt, auf dem riesigen Glaskelch in
der Galerie hätte die Künstlerin einmal ein dementsprechend größeres
"Geschäft" verrichtet, der hat Recht. Und wer gesehen hat, wie
salbungsvoll sie den Kelch dann der Menge präsentiert hat, dem ist dabei
möglicherweise der Satz "Dies ist mein Leib" eingeschossen. Hm. Fallen
im Herbst nicht nur die Blätter von den Bäumen, sondern auch die Bilder
von den Wänden? Das legt eine Installation von Christian Hutzinger nahe
(bis morgen bei Kerstin Engholm, Schleifmühlgasse 3). Auf dem Boden:
verdorrtes Laub, dahinter lehnt eine Leinwand leger an der Wand (wie
abgestürzt). Wäre weiter oben ein Nagel, müsste ich jetzt sagen:
Vielleicht wächst da ja im Frühling ein neues Bild nach. Alle Bilder,
auch die ganz konservativ aufgehängten, reagieren aufeinander (mit ihren
Farben und Motiven). Und die Wandflächen sind passend gestrichen. (Ein
paar wurden aber trotzdem im Michael-Jackson-Braun, also strahlend weiß
belassen.) Eine farblich und formal so lustvoll durchkomponierte
Ausstellung, die so mit sich selbst im Einklang ist wie diese, bekommt man
selten zu Gesicht. Die Gegenstände dieser plakativ bunten
"Zuckerlpapierdl-Welt" glaubt man irgendwoher kennen zu müssen. Eine
"Pop-Art des Unterbewusstseins" also?
Erschienen am: 20.10.2000 |
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