Salzburger Nachrichten am 22. Oktober 2005 - Bereich: Kultur
Berlusconi reizt Künstler Künstler in Italien
protestieren gegen Silvio Berlusconi und seine Regierung. Dieser wiederum
lässt Subventionskürzungen vorbereiten.
Roman ArensRom (SN). Filmkomiker Roberto Benigni erzählt von zwei
Männern, die mit Qual einen Baumstamm zu schleppen versuchten. Einer der
beiden sei auf das Objekt der Mühe gestiegen und habe zu singen begonnen.
Das habe den Stamm so leicht gemacht, dass ihn der zweite allein habe
weiterziehen können - mit dem Kollegen obendrauf. Benigni (Regisseur von
"Das Leben ist schön") wollte sagen: "Die Kultur ist es, was die Welt in
Bewegung setzt. Sie gibt die Träume. Und die Träume darf man nicht
antasten." Auf diese Art protestierte das Wort-und-Gesten-Kraftwerk Benigni gegen
geplante Kürzungen des "Fondo unico dello spettacolo", also des
staatlichen Kulturbudgets. Der Komiker war nicht allein. An einem Tag der
Vorwoche blieben viele Kinos, Galerien und Theater in Italien aus Protest
geschlossen. Auch der zuständige Minister Rocco Buttiglione wetterte gegen
die eigene Regierung - mit wachsender Lautstärke, fand aber kein Gehör, so
dass er mit Rücktritt drohen musste. "Jeder muss Opfer bringen", sagt Finanzminister Giulio Tremonti, der am
liebsten Strände und Kulturgüter verscherbeln möchte, aber jetzt erst
einmal 20 Mrd. Euro am Haushalt für 2006 einsparen muss. "Das
Kulturministerium kann Kürzungen von 198 Mill. Euro nicht aushalten - es
sei denn, wir wollen die Scala und Museen schließen", kontert
Buttiglione. Schon jetzt haben etliche der Museen, Schlösser, Kirchen und Klöster
mangels Personal sehr reduzierte Öffnungszeiten. Die Mailänder Scala
bedrängt der in ihrem Schatten geborene Premier Silvio Berlusconi, der
privat allerdings volkstümliches neapolitanisches Liedgut bevorzugt. "An
der Scala arbeiten tausend Personen, während 400 ausreichen", Gehälter
sowie Pensionen für Tänzer seien zu hoch. Er solle doch seinen eigenen Schwiegersohn, einen Tänzer, nach der
Wahrheit befragen, wird ihm an der Scala entgegengehalten. Berlusconis
Zahlen seien erlogen. Bei geplanten Kürzungen von neun Mill. Euro könne
die kommende Saison nicht regulär bestritten werden. Am Turiner Teatro Regio wird die Saison mit Aida eröffnet. "Wir werden
dem Publikum erklären, dass es die letzte Eröffnung dieser Art sein wird,
wenn es bei den Kürzungen bleibt", sagt Intendant Walter Vergnano. Er hält
es für eine Pflicht des Staates gegenüber den Bürgern, die Kinos, Museen,
Theater offen zu halten. Er weist darauf hin, dass Italien 0,2 Prozent des
Bruttosozialproduktes für die Kultur aufwende, Portugal 0,9 und Frankreich
1,3 Prozent. Werbeträchtige Veranstaltungen werden unsicher. Davide Croff,
Präsident der Biennale Venedig, hält das Filmfestival für gefährdet. Die Regierung zeige die Absicht, die Kultur "in jeder Form"
umzubringen, kritisiert der Dirigent Claudio Abbado. In der Zeit des
Faschismus seien die Leute in Verbannung geschickt worden; jetzt werde man
nicht verjagt, aber "Leute, die denken können, ehrlich arbeiten und neue
Ideen produzieren, werden sich bald gezwungen sehen, woanders
hinzugehen." |