Salzburger Nachrichten am 9. März 2005 - Bereich: kultur
Gegenseitig missverstehen Wie geht Europa mit dem
Islam um? Schwerpunkt bei "Literatur im März"
LASZLO MOLNAR WIEN (SN). Die Veranstaltung am Montagabend in der
Kunsthalle Wien war schon lange angekündigt. Die Ereignisse am Wochenende
gaben ihr Brisanz und einen neuen Ton: "Über den Umgang Europas mit
islamischer Kultur" sollte die Diskussion zur Eröffnung der Ausstellung
der Fahneninstallation von Feridun Zaimoglu an der Kunsthallenfassade
lauten. Nachdem am Sonntag in Istanbul die Polizei mit Knüppeln und
Reizgas gegen eine angekündigte Demonstration zum Weltfrauentag
vorgegangen war, wurde die Diskussion einzig der Frage gewidmet, ob die
Türkei reif sei für einen Beitritt zur EU und ob die EU bereit sei, die
Türkei aufzunehmen. Die Diskussion fand im Vorfeld der Reihe "Literatur im März" (10. bis
13. März) statt, die im Zeichen der islamischen Kultur und Literatur
steht. An Emotionalität fehlte es nicht. SPÖ-Clubobmann Josef Cap etwa sprach
sich ausdrücklich - und unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse -
gegen einen Beitritt der Türkei zur EU aus, sofern die Verhältnisse im
Land weiterhin so bleiben sollten, wie sie sind. Abgesehen von Caps Haltung herrschte eher Orientierungslosigkeit vor.
Journalist Robert Misik sagte, die "Beitrittsdiskussion hat sich vermischt
mit der Angst vor islamischem Terror" und werde zur "anti-islamischen
Hetze". Ebenso radikal, wie man dieser anti-islamischen Hetze
entgegentreten müsse, müsse von der Türkei die Respektierung der
Menschenrechte gefordert werden. Keiner Seite trauen will der deutsch-türkische Autor Feridun Zaimoglu,
von dem die Fahneninstallation "KanakAttack" an der Kunsthalle stammt. Die
Installation spielt mit der Angst vor der Aggression eines Volkes, das
Wien mehrfach belagert hat. Unter diesem Druck erschwindle Europa sich ein
moralisch "korrektes" Eigenbild - etwa, dass "Frauenrechte bis ins
unterste Glied durchgesetzt seien". Um dazu beizutragen, die gegenseitigen Missverständnisse zu verringern,
von denen die ORF-Journalistin Monika Ladurner sprach, forderte Misik
"mehr Stimme für die türkischen Mitbürger in Österreich", von denen 50.000
allein in Wien leben. Die Diskussion belegte, wie weit Europa davon
entfernt ist, sich sachlich und konstruktiv mit der Frage des Islam zu
befassen - einer Religion, der in der EU immerhin 13 Millionen Menschen
angehören, wie Misik anmerkte. Deshalb will die "Literatur im März" die
Hilfestellung der Kunst anbieten - mit Lesungen, Referaten und
Diskussionen sowohl von Autoren aus islamischen Ländern als auch von
Kennern, Fachleuten und Autoren aus nicht-islamischen
Ländern.Programminfo: www.alte-schmiede.at |