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06.12.2002 - Ausstellung
Im Schatten der Phantasie: Kunst ohne Tabus
Kara Walkers beunruhigende Scherenschnitte zeigt das Wiener Museum moderner Kunst.


Mit ihrer Skrupellosigkeit, die seit den neunziger Jahren so bemühte politische Korrektheit zu ignorieren, ja zu konterkarieren, hat Kara Walker in der internationalen Kunstwelt schon einige Beachtung errungen. Auch in Wien ist die 1969 in Kalifornien geborenen afroamerikanische Künstlerin keine Unbekannte: In der Saison 1998/99 war sie die erste, die den Eisernen Vorhang der Staatsoper mit einem eigenen Werk verhüllen durfte.

Die Deutsche Bank organisierte in diesem Jahr mit Arbeiten Walkers aus der eigenen Kunstsammlung und Leihgaben eine Wanderausstellung durch Europa. Letzte Station ist jetzt das Museumsquartier in Wien, das Untergeschoß, genannt die Factory, des Museums Moderner Kunst.

Das schummrige Licht beruhigt zuerst, der Blick schweift durch den Raum - es wird wohlig, man vermeint Vertrautes zu sehen: die schwarzweißen Silhouetten, so geliebt in der Kindheit - Scherenschnitte. Seit dem 17. Jahrhundert ist diese Technik gebräuchliche, zur Goethe-Zeit erreichte sie ihren Höhepunkt, für Kara Walker ist sie verharmlosende Tarnung für ihre Phantasien voll Sklavinnen, Demütigungen, Sadismus, Sex und Gewalt.

Die Zeit der Sklaverei in Amerika, der Kampf aus diesem heraus fließt bei Walker mit Szenen aus Märchen und Mythologie zu unangenehm berührenden Bildgeschichten, gespickt mit dem noch heute schwelenden Rassismus. Freimütig erzählt sie etwa in einem Interview: "Ich habe entdeckt, daß ich in den sexuellen Erfahrungen von Menschen ein Markstein war - es mit einer Schwarzen zu treiben, gilt als Prüfung (....). Es ist schon ein wenig masochistisch zu entdecken, daß du lediglich der Körper in der Lebensgeschichte eines anderen warst. Vermutlich ist das der Grund, weshalb ich mich für den schrägen Blick entschlossen habe: ein wenig Sklavin sein".

Ein gefährlicher Weg, den Kara Walker eingeschlagen hat, bedienen ihre Arbeiten doch auch bedingungslos das, was sie eigentlich anprangert: Voyeurismus und Vorurteile. Doch wie so oft, schützen die Mauern der Museen die Kunst vor sich selbst. sp

Bis 16. Februar. Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr.



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