Kultur

"Frei ist, wer etwas will"

21.06.2007 | SN
Einen "ganz, ganz winzigen Anfang" der Demokratisierung in China versucht der Dokumentarfilmer Wu Wenguang. HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Salzburg (SN). Hat der China-Boom nach der bildenden Kunst auch Film, Tanz und Theater erfasst? Die Antwort des chinesisches Dokumentarfilmers Wu Wenguang ist kurz: Nein. Denn ein Maler könne allein arbeiten, hingegen müssten sich für Film oder Tanztheater mehrere Künstler zu Gruppen formieren und monatelang zusammenarbeiten. Und wer als Künstler unabhängig arbeiten wolle, bekomme in China keinerlei Unterstützung.

Für Wu Wenguang wurde es erst dank Finanzierung einer niederländischen Stiftung und dank Kooperationen mit europäischen Institutionen - wie der heute, Donnerstag, beginnenden Sommerszene Salzburg - möglich, mit dem Choreografen Wen Hui in Peking ein Festival für darstellende Kunst aufzubauen. Impulse für deren Arbeit und Nachfrage nach seinen Filmen und den Produktionen dieses "Living Dance Studio" (am 25. und am 27. Juni im "republic") kämen vor allem von außerhalb Chinas, sagt der Künstler im SN-Gespräch.

Was will er darstellen? "Ich versuche, der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen", erläutert Wu Wenguang. Und er wolle etwas vom Leben einfacher Leute zeigen.

In seinem ersten Film in den 80er Jahren stellte er fünf Künstler vor, die in Peking ihre Träume suchten. Damals war es streng verboten, ohne behördliche Erlaubnis zu übersiedeln. Wer in Peking als "freier" Künstler leben wollte, war ein Illegaler und lebte gefährlich.

Heutzutage brauchen Chinesen noch immer Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, wenn sie in eine andere Stadt übersiedeln, doch da dies weniger streng kontrolliert wird als früher, machen sich viele Landarbeiter auf Jobsuche in die Großstädte auf. Den so ausgelösten Wandel in Städten und Dörfern hat Wu Wenguang zum Thema für sein "China Villagers Documentation Project" gemacht, das in der Kaverne in der Gstättengasse präsentiert wird: Zehn Dorfbewohner haben mit Videokameras, 100 Dorfbewohner haben mit Fotokameras das festgehalten, was sie von ihrem Leben als wichtig erachten. "Wir versuchen, sie für sich selbst sprechen zu lassen", erläutert Wu Wenguang. Also ein Projekt für Demokratisierung? Ja, aber mit 110 Menschen sei das ein ganz, ganz winziger Anfang von Demokratisierung in China.

Was fällt ihm in Österreich auf? Er sei 1994 und 1995 erstmals bei der Sommerszene in Salzburg gewesen. Einige Tage habe er am Mattsee verbracht, sei geschwommen und habe im Garten sitzend ein Bier getrunken. Er hätte sich nie träumen lassen, dass Menschen jemals so gut und in so sauberer und ruhiger Umgebung leben würden, sagt der 50-Jährige. Österreich habe hohe Lebensqualität. Zudem sei er beeindruckt, wie Menschen sich hier für klassische wie für zeitgenössische Kunst interessierten.

Ende der 80er Jahre habe er versucht, auszuwandern, doch sei es nicht gelungen. Dann habe er eingesehen: "Wenn ich als Chinese etwas will, muss ich bleiben." Er könne unabhängig arbeiten, "weil die Freiheit in mir ist". Frei sei nicht, wer auf etwas warte, sondern wer etwas wolle und einen Weg suche. "Wenn ich China verlasse, kann ich vielleicht fliegen, aber ich finde keinen Boden, um darauf zu stehen."

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