VON ARIANE GRABHER
Bregenz (VN) "Dieser Typ ist in deiner
Stadt" verkünden die Billboards an der Bregenzer Seestraße. Mit
Messages und Bildern ist er bereits vor einigen Tagen in die Stadt
eingefallen. Jetzt ist er tatsächlich da, und heute Abend wird die
Ausstellung des amerikanischen Medienkünstlers Doug Aitken im
Kunsthaus eröffnet. "New Ocean (a shifting exhibition)" beendet das
Ausstellungsjahr mit einem Paukenschlag.
Seit seine preisgekrönte Videoinstallation "Electric
Earth" 1999 bei der Biennale von Venedig von Publikum und Kritikern
gleichermaßen hochgelobt wurde, zählt der 1968 in Redondo
Beach/Kalifornien geborene Doug Aitken mit seinem zwischen
Medienkunst und Popkultur oszillierenden Werk zu den internationalen
Superstars.
Internationaler Star
Befasst mit einer nachhaltigen Neuinszenierung des
Mediums Video, die wesentlich vom Fluss der Bewegung (auch des
Betrachters) und dem originären Bildmaterial lebt, handelt sein Werk
von Raum und Zeit, von Chaos und Ordnung, vor allem aber von der
Interaktion von Mensch und Natur. Zwei zentrale Werke aus der
modular konzipierten Folge "New Ocean", erweitert um zwei in Europa
erstmals gezeigte Werkgruppen, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung
im Kunsthaus. "New Ocean (a shifting exhibition)" besteht aus
individuellen, a priori sehr unterschiedlichen Arbeiten. In ihrer
Abfolge verbinden sie sich jedoch, einer Welle gleich, zu einem
raumübergreifenden Zyklus.
Macht der Bilder
Zwei bemerkenswerte Dinge bilden den Auftakt zu dieser
fulminanten Schau: räumlich abgetrennt, durch Farb- und Materialwahl
unterstützt, verwandelt Aitken das coole Foyer erstens in einen
veritablen Ausstellungsraum. Allerdings, und damit zweitens: zu
sehen gibt es in der für Bregenz neu produzierten Soundinstallation
"You exist, you think" zunächst wenig, ungewohnt wenig. Eigentlich
gar nichts, sieht man von den auf hölzernen Plattformen stehenden,
sitzenden oder liegenden Besuchern einmal ab. Beschallt von
Lautsprechern über ihnen werden diese selbst irgendwie zu Skulpturen
im Raum. Gleichzeitig suggeriert das an- und abschwellende
Atemgeräusch Gefühls- und Erregungszustände und das imaginäre Bild
atmender Menschen. Doch bereits ein Stockwerk höher ist die
(Bild-)Welt wieder in Ordnung und die folgenden Arbeiten lassen in
ihrer Sogwirkung, als eindrückliches Zusammen von Bild und Ton,
keinen Moment über die Macht der Bilder im Unklaren.
Permanent im Fluss
"Interiors" (2002) thematisiert in einer kreuzförmigen
Architektur den Großtadtmenschen in scheinbar unvereinbaren
Geschichten. Die Eindimensionalität des Blickes "Innen" lässt sich
nur in der Bewegung und von "Außen" entschlüsseln. Urbane Wastelands
und die Einsamkeit menschlicher Existenz verdichten sich, der Sound
wird lauter, die Bilder kommen näher, alles steigert sich - und geht
dann einfach weiter.
Wo es unter der Regie des französischen Künstlers Pierre Huyghe
vor kurzem noch schneite und regnete, da lässt es Aitken in seiner
Videoprojektion "Thaw" von schmelzenden Gletschern in Alaska
knistern und knacken, tropfen und tauen.
Im Wechsel von mikro- und makroskopischen Aufnahmen lässt er die
Wolken ziehen, die Berge Kopf stehen und beweist, dass die Bilder
mittlerweile realer als die Realität geworden sind. In eine digitale
Topographie aus Urgewalt und Naturschönheit lädt der monumentale
Rundbau von "New Ocean Cycle" (2001) ein.
Vom Rinnsal bis zum Wasserfall, natürlich und künstlich, überall
und nirgends, als "sich ständig verändernder Zustand, permanent im
Fluss und im Wandel" (Aitken) überführt der Künstler in seiner
Rundumsicht auf den Boden einer Welt, aus der man nur ungern wieder
auftaucht.
Doug Aitken versetzt den Besucher in die viereckige Welt
der Großstadt und ihren Bewohnern.
Die hölzernen Plattformen bieten Platz zum Hören.