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Die Recherche über die beinahe
vergessene, neapolitanische Filmemacherin Elvira Notari, die Anfang dieses
Jahrhunderts sogar eine Filmproduktionsfirma besass, bietet Green den
Ausgangspunkt für ihr Video ‹Some Chance Operations›. Diese Arbeit wird in
einem ‹unsichtbaren Kino› mit schwarzem Vorhang und Sitzkojen präsentiert
und thematisiert erlebte, imaginierte und vergessene Geschichte anhand von
Interviews über die Stadt Neapel. Träume, Projektionen und Erinnerungen
färben das blosse Faktenwissen der einzelnen Personen und ergeben ein
heterogenes Bild nicht nur dieser Stadt, sondern lassen auch Rückschlüsse
auf die Funktionsweise von Geschichtskonstruktion zu.
Renée Greens
Ausstellung konfrontiert uns mit verschiedenen historischen und
kulturellen Recherchen in diversen Vermittlungsmedien, die assoziativ
verknüpft sind. Das Ziel ist nicht, zu einem linearen Erzählstrang zu
gelangen, eine allgemeingültige Geschichte zu erzählen, sondern
Möglichkeiten von Geschichten auszudenken und somit eine universelle
Geschichtsschreibung in Frage zu stellen. In ‹Partially Buried in Three
Parts› reflektiert Green mittels Fotografien über die siebziger Jahre. Die
ortsbezogene Arbeit ‹Partially Buried Woodshed› (1970) von Robert Smithson
an der Kent State University in Ohio wurde nach der Protestveranstaltung
gegen die US-Invasion in Kambodscha, bei der vier Studenten erschossen
wurden, mit dem Schreckensdatum versehen und dadurch umgewertet. Auf der
gegenüberliegenden Wand des avocadogrünen Raums hängen Fotos, die 1980
während des Korea-Kriegs in Kwangju entstanden sind, neben solchen, die
Green 1997 selbst an diesem Ort sowie in Seoul machte. Vergangenheit und
Gegenwart greifen ineinander über. Im nächsten Raum kommt man zurück in
die 70er Jahre mit Musik dieser Zeit, Plattencovers, Möbeln, Teppichen,
Polstern, einem Stichwortverzeichnis der New York Times und einem Kreis
von Monitoren, auf denen Interviews bzw. Berichte aus und über die
erwähnte Protestveranstaltung laufen. Wieder in einem anderen Ambiente
befinden sich Renée Greens Videotapes, die sie seit 1991 produziert
hat.
Es ist beinahe unmöglich, an einem Ausstellungsbesuch alle
aufbereiteten Informationen zu verarbeiten, diese sogar nur zu sichten.
Greens Ausstellungsassemblage provoziert eine physische Erschöpfung durch
die Intensität der Materialaufbereitung und der dadurch hervorgerufenen
Reflexionsmomente. Doch das Nachdenken jedes einzelnen über die in
Erinnerung gebliebenen Arbeiten kann als individuelle Geschichtsbildung
verstanden werden. So findet Renée Greens Thema im Gedächtnis der Besucher
und Besucherinnen eine Fortsetzung.
Bis 11.4.1999
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